Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
kleine Gartentürchen ist nicht abgesperrt. Wie unvorsichtig! Sein Knarren schießt dem Sandner wie ein Pfeil ins Ohr. Wahre Profis hätten ein Ölkännchen in der Tasche gehabt. Er bleibt kurz stehen, lauscht auf ein Geräusch aus dem Haus. Nichts. Auf schiefernen Steinplatten schreitet er zur Eingangstür. Massives Eichenholz. Fast ein Burgtor. Sicherheitsschloss. Von wegen aufschießen. Für dieses Trumm bräuchtest du pyrotechnisches Know-how.
Er baut sich seitlich neben der Tür auf. In der Jackentasche fühlt er das kalte Metall der Glock. Er umfasst kurz den Griff, dann zieht er die Hand kopfschüttelnd zurück. Keine Option. Er sieht noch einmal zurück. Seine Kollegin wartet im Dunkeln. Sie hat ihre Waffe gezogen und geht in Stellung. Ihr Blick ist entschlossen. Jetzt ist er bereit.
Er klingelt.
Nichts.
Noch einmal.
Im Haus bleibt es still.
Mit der Faust hämmert er gegen die Tür.
»Aufmachen!«
Im Gebäude schräg gegenüber geht das Licht an. Eine Tür wird geöffnet. Eine Gestalt im Jogginganzug steht im Türrahmen und starrt zu ihm hinüber. Die Gartenbeleuchtung springt an. Sieben rot bemützte Gestalten aus Ton bewachen das Grün.
Als Schneewittchen geht die alte Brauner nicht durch. Von der Prinzenrolle ganz zu schweigen.
Vor dem Sandner bewegt sich die Tür.
Sie öffnet sich einen Spalt.
»Sie«, stellt der Ansi fest. »Was wollens um die Zeit hier?«
Er lässt nicht erkennen, ob er überrascht ist.
»Reinkommen.«
»Wieso?«
»Weil ich Polizist bin.«
»Haben Sie einen Hausdurchsuchungsbefehl?«
Der Sandner lacht auf.
»Hören’S doch auf mit dem Schmarrn.«
»Lass den Mann herein, Hans«, hört er eine Stimme aus dem Hintergrund schnarren. Das wird der Soldat sein. Befehlsgewohnte Stimme. Jetzt! Jetzt müssten die beiden jungen Beamten schon im Haus sein. Alles bleibt ruhig. Kein Geräusch. Was machen die Burschen bloß?
Der Sandner wird nicht ins Haus treten, solange er nicht weiß, ob der alte Stemmer eine Waffe auf ihn gerichtet hält. Einmal am Tag in einen Lauf zu blicken reicht ihm vollauf.
Die Tür wird ganz geöffnet. Der Flur ist hell erleuchtet. Vom Ruheständler nichts zu sehen. Er wird wohl nicht hinter der alten Truhe in Stellung gegangen sein?
Eine engagierte Dame mit Pistole und Dienstausweis zerrt den verblüfften Ansi am Hemdkragen nach draußen. Lara Croft in Aktion. Der Kerl wird an die Mauer gelehnt und versorgt. Zwei Sekunden dauert das. Gerade noch »Verdammt« kann er blöken.
»Bringen wir das zivilisiert hin?«, ruft der Sandner in den Flur.
»Freilich«, hört er Jonnys Stimme, »wenn’s unbedingt sein muss.«
Die Kellertür war für die jungen Wilden offenbar kein Problem gewesen. Spaziergang. Der Sandner schnauft durch. So hat er sich das vorgestellt.
»Ruft einen Arzt, schnell!«, kreischt eine Frauenstimme.
Scheißdreck! Die Wiesner dicht auf den Fersen, springt der Hauptkommissar in den Flur. Der Lärm kommt aus dem Wohnzimmer. Wenn die alte Brauner nur jetzt nicht schlappmachte. Das hätte gerade noch gefehlt. Er will keine Toten mehr. Dieses Mal will er vor dem Sensenmann da sein. Dieses Mal muss es gelingen!
Die Stimme ist aus einem Raum linker Hand gekommen. Offenbar das Wohnzimmer. Sie platzen atemlos in den Raum. Der Jonny steht herum und weiß nicht wohin mit seinen Gerätschaften. Plastikarmbänder und Pistole hat er in Händen. Er trägt noch die Sturmmaske. Martialisch schaut es nicht aus, eher nach alemannischer Fastnacht. Geisteraustreibung.
Im Sessel hängt eine Gestalt. Ein alter Mann, der nach Atem ringt. Er trägt Anzug mit Krawatte und Einstecktuch. Seine Haare haben die militärische fünf Millimeter Länge.
»Der ist herzkrank! Der hat zwei Bypässe hinter sich«, schreit Frau Wirtin den Jonny an. Sie hat sich zum Alten gekauert, die Hand an seiner Schulter. »Spinnt ihr komplett! Den so zu erschrecken!«
Offenbar fallen die Leute heut bei Sandners Auftritt um wie die Fliegen. Scheint am Wetter zu liegen. Erst der Kastelmeyer und jetzt der militärische Arm der Stemmerfamilie. Aber der hat gottlob nur einen vorübergehenden Schwächeanfall.
»Geht schon«, schnauft der Alte und winkt ab. Sein Atem rasselt. Er wischt sich über die Stirn. Sein Blick richtet sich fragend auf den Sandner. Ganz alter Soldat hat er gerochen, wer die Befehlsgewalt in Händen hat.
»Wo ist die Frau Brauner?«, will der von Frau Wirtin wissen. Hoffentlich hat er sich nicht getäuscht. Sie muss hier sein!
»Wo ist der Hartinger?«,
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