Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Münzen, die er spart. Sein Mercedes braucht Sprit und seine vier Kinder gieren nach iPhones. Oder tut er ihm unrecht? Wenn jeder so handeln würde? Vielleicht wäre das kein Fehler. Schweigend lenzt er seinen Kaffee. Die Dosenmilch ist über dem Haltbarkeitsdatum. Schmeckt, wie sie soll.
Chingachgook dreht sich einen Joint – wirft ihm einen fragenden Blick zu. Verneinendes Kopfschütteln des Polizisten. Er nimmt sich einen Schokoriegel vom Tisch. »Darf ich?«
Der Indianer nickt und hält ihm eine Banane hin. »Nimm was Gesundes dazu.«
Etwas streift an Sandners Beinen entlang. Der Terrier legt sich vor seine Füße und schaut zu ihm hoch. Fragender Hundeblick. Kurz tätschelt er ihm den Kopf.
»Ayasha scheint dich zu mögen.« Der Indianer nimmt einen tiefen Zug. »Tiere können nicht lügen, wie wir.« Der Blick, den er dem Sandner zuwirft, ist rätselhaft. Vielleicht auch bloß vom Marihuana verschleiert.
Zeit für den Polizisten, sich auf den Weg zu machen.
Im Flur zieht er sich die Schuhe an. Gewohnheitsmäßig schaut er sich nach seiner Jacke um. Scheißdreck. In einer Sekunde zieht der ganze Abend an ihm vorbei. Er greift sich an die Stirn. Warum ausgerechnet er? Auf selbstmitleidige Fragen hat noch niemand die wahre Antwort gewollt. Kurz schüttelt sich der Ermittler, dann zieht er die hängenden Schultern nach oben. Auf ein Neues.
»Wohnungssuche?«, ruft es aus der Küche.
»Ja, auch«, antwortet der Sandner mit belegter Stimme. Kein berauschendes Gefühl, die Rothaut anzuschwindeln. Die scheint eine grundehrliche zu sein – wie ihr Terrier.
»Viel Glück«, wird ihm gewünscht.
Der Duft bewusstseinserweiternder Kräuter zieht durch die Wohnung. Der Sandner schließt die Tür hinter sich.
I m Hausgang gibt es Remmidemmi. Der erste Stock ist in Aufruhr. Die Polizei ist wieder dabei, die Ordnung zu hüten. Zumindest hört es sich genauso an. Geschrei, heulende Kinder, Türenschlagen. Der Sandner verharrt auf dem Treppenabsatz. Nicht sein Vormittagsprogramm. Er fängt an, die Banane zu schälen.
Einetiefe Stimme fährt wie Gebell zwischen die Schafe.
»Ruhe!«, donnert sie, »und geht’s mir aus dem Weg!«
Irgendwann scheint die ganze Gesellschaft ins Erdgeschoss zu poltern. Dann schlägt jemand die Haustüre zu. Der Sandner wirft einen Blick durchs Fenster im Treppenhaus.
Ein junges Mädchen und die aufgeregte Frau von gestern stehen hilflos gestikulierend neben einem Streifenwagen. Den Inhalt kann der Polizist nicht genau erkennen. Offenbar haben die Beamten einen Fang gemacht. Jetzt steigt einer der Uniformierten noch einmal aus und schreitet auf die Frau zu. Es ist der Schmerbäuchige von gestern. Dicht stellt er sich vor ihr auf. Die Hände in die Seiten gestemmt, die Beine lässig gespreizt. Seine Wampe berührt sie fast.
Sie verschränkt die Arme. Ihr Blick ist purer Hass. Wenn er ein Messer wäre, gäbe es ein Schlachtfest samt ausgebeintem Sheriff. Was sie ihm entgegenschreit, lässt den Mann explodieren. Vielleicht hat sie ihn bespuckt. Nicht erkennbar für den Sandner. Die Gesichtszüge des Dicken verzerren sich zur wütenden Fratze. Seine Hände zucken nach vorn. Er packt die Frau an den Haaren, zieht ihren Kopf mit einem Ruck zur Seite. So zwingt er sie auf die Knie. Ganz langsam. Sie sträubt sich, greift nach seiner Hand, aber sie hat keine Chance. Mit schmerzverzerrter Miene sieht sie hoch zu ihrem Peiniger. Dessen Gesicht nimmt einen befriedigten Ausdruck an. Beinahe Wollust. Als würde er gerade leckere Weißwürscht auszuzeln.
Das Mädchen an ihrer Seite stößt einen Schrei aus, rührt sich aber nicht. Ihr Glück. Wer weiß, was für sie auf dem Programm stünde.
Dem Kriminaler bleibt die Luft weg. Fast hätte er sich an der Banane verschluckt. Er reißt das Fenster auf und fegt dabei einen verstaubten Kaktus vom Brett.
Der Uniformierte wirft einen Blick nach oben, ohne den Griff zu lockern. Ihre Augen treffen sich. Einen Augenblick lang starren sich die beiden an.
Der Mann nickt kurz und seine Zunge leckt über die Oberlippe. Als sollten alle Sinne die Szene auskosten dürfen. Mit einer schnellen Bewegung zerrt er die Frau am Haar zur Seite, bis sie das Gleichgewicht verliert. Dann lässt er sie los. Eine lässige Geste – scheinbar öfter erprobt. Nicht der Rede wert.
Der Streifenwagen nimmt ihn wieder auf. Die Show ist vorbei. Türen schlagen zu, das Fahrzeug rauscht ab. Als wäre nichts gewesen.
Die Frau sitzt auf dem Asphalt. Unkoordiniert sind ihre
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