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Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Titel: Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Schnapsfahne und vorwitziger Klappe. Hoffentlich kann sich der Bursch zusammenreißen und kracherte Clownereien im Sack lassen. Bühne bietet das Braunersche Haus keine, eher gibt ihm der Alte den Stock zu schmecken. Es gibt Zeiten, da hast du keine Wahl. Hinter knalligen Larven haben die Leute ab und an ein konträres Gesicht verborgen. Falls das beim Jonny nicht der Fall gewesen wäre, hätte er keinen Polizeiausweis, sondern gäbe beim Trash-TV im Vorabendprogramm ein zappeliges Dummchen ab.
    Dem jungen Kommissar war die Enttäuschung anzumerken gewesen, nicht an der »Front« zu werkeln. Immerhin haben sie ihm eröffnet, er wäre der Verbindungsmann zum Sandner. Wenn der Unterstützung bräuchte, hätte er seinen Außeneinsatz. Singuläre Eingreiftruppe. Ergiebig wird das Aktenwälzen nicht sein, aber den alten Oberstaatsanwalt wird es beschäftigen. Dessen Hirn braucht etwas zu fressen, damit sich die Gedanken nicht an grausigen Phantasien mästen und wie Derwische zu kreiseln anfangen. Mittlerweile ist es halb zwei. Die beiden polizeilichen Nachteulen planen ihr Morgenprogramm. An Schlaf denkt niemand.
    F ast niemand. Der Sandner schon. Er schließt seine momentane Wohnungstür auf und versucht, keinen Lärm zu veranstalten. Alles ist still. Er macht sich auf die Suchenach der Küche, um einen Schluck Wasser zu trinken. Auch die ist einfach ausgestattet – bis auf die zwei überdimensionierten Kühlschränke, die den Raum beherrschen.
    Der Mann hat ein Glas gefunden und bedient sich am Wasserhahn. Neben der Tür stehen zahlreiche Jutetüten, offenbar mit Lebensmitteln gefüllt. Vielleicht hat die gefakte Rothaut den Sammeltrieb wie ein Eichhörnchen oder bereitet eine Party vor. Potlatch, Fest des Schenkens. Der Polizist beschließt, sich morgen darüber Gedanken zu machen – oder besser gar nicht. Zu Gesicht bekommt er weder Chingachgook noch dessen Hund, als er sich in seine Kammer schleicht.
    Schlaf soll Vergessen bringen, sagt der Volksmund. Dagegen zeichnen die Schlafforscher ein konträres Bild bezüglich Hirnaktivität. Nächtliche Bürokraten würden sich im Hirnstüberl abrackern, alles ordnen, stempeln, abheften, oder – ab in den Reißwolf. Bevor er denen die Arbeit überlässt, denkt der Sandner an seine Frau Mayer. Er bringt den ein oder anderen wärmenden Gedanken zustande – aber dann wird die Erscheinung seiner nackten, vollbusigen, ihm aufmunternd zulächelnden Maria ohne Vorwarnung von der weißhaarigen, ausgemergelten Brauner ersetzt. Fest verschnürt, die Stricke schneiden rote Bahnen ins welke Fleisch, auf einem Hocker sitzend, die rissigen Lippen zum tonlosen Schrei geformt. Abblende. Nächste Sequenz: Zoom in die zahnlose, rosafarbige Mundhöhle, fast unhörbares Geröchel. Es geht zu Ende.
    Schmarrn! Es braucht einige Zeit, bis sich die Phantasie eingebremst hat. Minutenlang liegt er wach auf dem Rücken, nur die eigenen Atemzüge als Untermalung. Dann nickt er ein.
    Mitten in der Nacht rumpelt er hoch. Ihm war, als hätte er einen Schuss gehört. Sein T-Shirt ist schweißnass. Seine Pistole ist ihm im Traum erschienen. Auf dem Gehsteig ist sie gelegen. Es hat geregnet. Leute sind vorbeigehastet, lauter gesichtslose Schemen. Keiner hat die Waffe aufgehoben. Mit dem Bus ist er vorbeigefahren. Ein großer Überlandbus, wie sie die Greyhoundlinie benutzt. Durchs Fenster hat er die Waffe erblickt. Er hat gewusst, irgendjemand wird sie entdecken und aufheben. Dann wäre sie für immer verloren. Sie war zum Greifen nah! »Anhalten«, wollte er brüllen, aber er konnte keinen Ton herausbringen. Als wäre die Zunge gelähmt. Zum Fahrer hat er sich vorgearbeitet. Der Bus hat geschaukelt wie auf hoher See, und er hat das Gleichgewicht verloren. Den Gang ist er auf allen vieren entlanggekrochen, der einzige Fahrgast. Es hat endlos lange gedauert. Seine Fingernägel haben sich in den Filzteppich gekrallt. Zentimeter für Zentimeter hat er sich vorangearbeitet. Der Bus ist derweil dahingerast. Er hat gewusst, er müsste kilometerweit die Straße zurücklaufen, um die Stelle zu finden. Die Strecke war ihm unbekannt. Verzweiflung hat ihn gebeutelt. Auf einmal hat sich der Fahrer zu ihm umgedreht und den Mund zum Grinsen verzogen. Das Gesicht kam ihm vertraut vor, es gehörte jemanden, den er schon einmal gesehen oder getroffen hatte. Kruzifix, wer ist das gewesen? Die Fratze ist aus seinem Kopf verschwunden. Beim Erwachen herausgeblasen worden aus dem Hirn. Egal – die Offenbarung wird ihm sein

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