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Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Titel: Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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nebenan leise und vorsichtig eine geöffnet. Nur einen Spaltbreit.
    Ein zweistimmig gezwitschertes »Wiederschauen« folgt ihm nach, wie er die Treppe hinunterspringt.
    D ie Zahnarztgattin Madlen Gruber hätte sich die Wiesner anders vorgestellt. Wieso? Weil es unwahrscheinlich ist, dass sich ein Klischee mit der Wirklichkeit paart und du das Ergebnis zu Gesicht bekommst. Matrose mit tätowiertem Busenwunder samt Anker oder Mafiakiller mit Gelhaar samt Menjoubärtchen. Die Madlen Gruber hat weder Bärtchen noch Tattoos – zumindest beides nicht an sichtbarer Stelle. Aber sie hat einen strohfarbenen Pagenkopf, trägt ein geblümtes Kleidchen und das strahlendste Gebiss, das man für Geld bekommen kann. Sonst kann man über sie nichts sagen – und das sagt am meisten. Nach der gegenseitigen Vorstellung setzt sie sich achtsam auf die Sofakante. Mehr scheint ihr im Haus nicht zuzustehen. Die Kanten, die Reste, die Ecken. Die gestreckten Arme zwischen den Beinen, die Hände gefaltet sitzt sie da. Sittsam und aufmerksam – ein kleiner Porzellanengel. Himmel, hilf! Die Wiesner wiederholt noch einmal die Fragen, die sie zuvor gestellt hatte. Langsamer. Das Köpfchen der Madlen scheint verwirrt. Als wenn sich ein Bienchen drin verirrt hätte und fröhlich herumsummt, so schaut sie drein. Ihre Augen werden groß und größer. Natürlich kann sie nichts von Wert beitragen. Dabei glotzt sie wie der Aff, wenn’s blitzt. Allerdings ist in diesen Augen noch etwas anderes zu finden. Traurigkeit ist in ihnen zu sehen, so, als wären die Iriden bewölkt. Das Leben an der Seite ihres Mannes im luxuriösen Anwesen hat sie sich anders ausgemalt. Wie sie zum Gruber gekommen ist, darüber kann die Wiesner nur spekulieren. Vielleicht ist die Verbindung von langer Hand geplant worden. Sie wirkt nicht, als ob ihre Meinung ausschlaggebend wäre. Jetzt darf sie das Schneewittchen geben, auf ewig der Stiefmutter ausgeliefert, während der Prinz sich als Frosch entpuppt hat. Besser gesagt, als schleimige, immergeile Kröte. Ihre Freundlichkeit hat demgegenüber etwas Masochistisches. Der Wiesner gruselt es. Sie nippt vom lauwarmen Tee und hört der jungen Gruber zu, die daherplappert wie ein Bergbach. Nach zehn Sätzen hat die Schwiegermama genug gehört.
    »Sie sehen, wir können Ihnen nicht helfen«, leitet sie den formvollendeten Rausschmiss ein. »Natürlich rufen wir Sie an, Frau ... äh, wenn wir etwas bemerken, nicht wahr, Madlen?«
    Abwesendes Nicken vom Schneewittchen, bevor sie ihr Schnäbelchen in den Tee taucht. Die Wiesner reicht jeder Frau eine Visitenkarte. Eine landet auf dem Beistelltisch neben dem Zucker. Die Frau des Zahnarztes behält ihre bei sich, wie sie sich die Hände schütteln. Einen bohrenden Blick bekommt die Polizistin dabei gesandt. So als hätte die junge Frau nach einem Drogenrausch ihr volles Bewusstsein wiedererlangt. Nur einen kurzen Augenblick bekommt die Fassade einen Riss. Sofort wird er gekittet und das schüchterne Lächeln erneut ins Gesicht gezaubert. Die Wiesner ist irritiert, wie sie in ihr Auto steigt. Was immer die Rolle ist, die der jungen Madlen zugeteilt worden ist, nicht alles an ihr ist so, wie es scheint. Vielleicht sollte Grubers Mutter gut aufpassen, bevor sie ihr den Rücken zudreht – sonst wird sie bald auf glühenden Kohlen tanzen. Die Trauer lähmt dich eine Weile, bis sie sich auswächst und zum veritablen Hass mutiert. Nichts, was der Wiesner unbekannt ist. Sie ist sich sicher, dass sie die Madlen Gruber nicht zum letzten Mal gesehen hat. Früher oder später wird sie ihr wieder über den Weg laufen.
    V or der Bäckerei muss der Sandner nicht lange auf die vogelwilde Madam warten. Sie ist eine Minute zu früh dran. Mit einer rosa Fleecejacke und goldfarbenen Sneakers gewandet, gibt sie den kunterbunten Kontrast zur grauen Umgebung.
    Einen Kaffee to go in der Hand, lehnt der Polizist an einem Laternenpfahl.
    »Gehenwir ein Stück«, schlägt er vor. Nebeneinander schlendern sie den Gehsteig entlang. Immer wieder wirft sie einen Blick hoch zu den Fenstern im Wohnblock. Gespannt und zappelig wirkt sie, wie ein Mäuschen unter freiem Himmel. Jeden Moment könnte der Bussard herunterstoßen. Der Sandner fährt die Krallen nicht aus. Ois easy.
    »Wie heißt Ihr Freund?«
    »Kemal.«
    Als sie ihm den Nachnamen sagt, lacht der Sandner auf.
    »Ach, der Kemal.«
    »Sie kennen ihn von früher, hä?«
    »Ja«, lügt er, »ein alter Bekannter.«
    »Der macht keinen Scheiß mehr. Ehrlich

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