Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Doch, ich hab mir schon gedacht, wie er ihn sich leisten kann.« Der Wessold hustet kurz auf, schnäuzt sich ausgiebig in ein Papiertaschentuch. Zwischen den Fingern behält er es und rupft nervös daran herum.
»Ich wollt den Cognac nicht nehmen, aber meine Frau ... es war doch unser Bub, der wollt mir eine Freude machen.«
Der Sandner rutscht schweigend auf seiner Sitzfläche nach vorn.
»Einmal sind wir im Lidl gewesen, meine Frau und ich. Wie wir zurück sind, da hat er auf uns gewartet, im Auto. Das war ein großer Mercedes. Und daneben ist einer gehockt, mit einer Verbrechervisage. Da weißt du gleich Bescheid.«
Das Taschentuch kommt wieder zum Einsatz.
Der Sandner zieht zwei Bilder aus der Tasche. »Einer von denen?«
Der Wessold richtet sich auf, greift nach einer Brille. Umständlich, mit zitternden Händen, klappt er die Bügel auf. Es dauert ein paar Minuten. Er betrachtet die Bilder lange. Dann deutet er mit dem Finger auf eines. »Mei, das ist so lange her. Sechs Jahre vielleicht. Der könnte es gewesen sein, mit einem anderen Bart. Ja, der da.«
Der Herr Yilmaz. So schaut es aus. Der Sandner lässt den Wessold noch von früher erzählen, als der Bursch seinem Vater gerade mal bis zur Brust gereicht hat, und noch nicht alles bitter geschmeckt hat. Auch von dessen Beerdigung in Tschechien erfährt der Polizist, vor fünf Jahren, als die Mutter noch gelebt hatte.
Ganz in Gedanken verabschiedet er sich schließlich vom Alten. Der Mann bleibt auf dem Sofa sitzen. Er hat sich kurz aufgestützt, als wolle er sich zum Abschied erheben. Der Versuch zählt.
Durch den schmalen, düsteren Flur, zwischen Tütenbergen hindurch, bahnt sich der Ermittler seinen Weg nach draußen.
Wie er die Wohnungstür öffnet, wirft eine mächtige Gestalt ihren Schatten auf ihn. Die Frau muss auf dem Fußabstreifer gelauert haben. Wahrscheinlich das Ohr an die Tür gepresst.
»Ich will Ihnen mal was sagen«, zischt sie. Offenbar wird hier im Haus der Polizei Vertrauen entgegengebracht. Die Walküre, gewandet in eine ärmellose,geblümte Kittelschürze, boxt definitiv im Superschwergewicht. Ihre fleischigen Oberarme könnten seine Schenkel ersetzen. Sein Kopf ist auf Höhe ihrer Achseln. Der Geruch erinnert ihn an die Burger-Tandler. Als hätte sie in ranzigem Frittenfett gebadet.
Er greift nach hinten und schließt die Tür. Mit einem gewandten Sidestep bringt er sich außer Reichweite. Das Sparring mit Miran trägt erfreuliche Früchte.
Die Wohnung nebenan spuckt eine weitere Frau aus. Spindeldürr, höchstens einsfünfzig, der Hautüberzug wie ein Ledereinband von Brauners antiquarischen Wälzern.
»Ich kann alles bezeugen«, krächzt die. »Ich wohn im dritten Stock.«
»Ganz langsam«, sagt der Ermittler, »um was geht’s überhaupt?«
»Der da droben, mit seinem greislichen Viech, der hascht«, flüstert die Geblümte.
»Was macht der?«
»Haschen, verstehen’S«, beschwört ihn das Dörr-Waiberl. »Da stinkt’s raus aus seim Loch, dass es der Sau graust.«
Sie hat einen seiner Ärmel in den Klauen und zupft daran herum. Durch zwei schnelle Schritte schiebt sie sich zwischen ihn und der Treppe nach unten. Du – kommst – hier – nicht – vorbei!
»Aha«, sagt der Sandner und reißt sich so sanft wie möglich los. Bevor er noch etwas hinzufügen kann, wird ihm die Regie aus der Hand genommen.
Ein Bellen schallt durch den Hausgang. Nein – ein abgehacktes Grollen, als würde ein Panther unter Keuchhusten leiden. Rums, die Wohnungstür fällt neben ihm zu. Die beiden Frauen sind verschwunden wie die Schlossgespenster.
Langsam stapft der schwarzfellige Zerberus auf seinen krummen Beinen die Treppe hinunter. Die blutunterlaufenen Augen hat er auf den Polizisten gerichtet. Allein, leinenlos. Zielstrebig trabt er auf den Sandner zu. Der weicht zurück bis zur Wand. Die Treppe hinunterzuspringen wäre keine gute Idee. Im Rücken will er die Bestie nicht haben. Sie stoppt vor ihm ab und fängt an, ihn zwischen den Beinen zu beschnüffeln. Frontal ist nicht besser.
»Na, Anthrax«, murmelt der Mann, die Arme an den Körper gepresst, »bist ein Braver, oder?«
Vom Herrchen weit und breit nichts zu sehen. Er lauscht regungslos. Der Hund saugt geräuschvoll die Luft ein. Mehr ein Röcheln. Keine abrupten Bewegungen jetzt! Keinen Mucks. Wenn diese Kiefer zuschnappten, könnte er dem Männerdasein entsagen. Vielleicht wär im Tölzer Knabenchor die Solistenstelle frei.
Erdig riecht das Tier und nach
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