Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Handy. Beim Türrahmen angekommen, späht er vorsichtig in den Raum. Niemand zu sehen. Die Blutspur endet in einem Korb. Der Terrier liegt dort und winselt leise. Der Sandner pustet durch.
Er dreht sich um und durchsucht die anderen Zimmer nach Lebenszeichen. Nichts. In seinem Kammerl steht »Verschwinde!« an der Wand, mit Blut oder brauner Farbe hingeschmiert. Seine Tasche liegt dort umgekippt, seine Wäsche verstreut.
Der Hauptkommissar rennt zurück in die Küche und wendet sich dem Tier zu.
Das Fell ist blutverschmiert, offenbar hat Ayasha sich bis zu ihrem Korb geschleppt. Scheißdreck, verfluchter! Die Art der Verletzung kann er nur erahnen, aber sie muss schwer sein. Ein Unfall wird das nicht gewesen sein. Aber was sonst?
»Verdammte Drecksau!« Schlagartig wird dem Sandner klar, was sein Besuch bei Yilmaz ausgelöst hat. Mit zitternden Fingern läutet er beim Jonny an. Der soll die Tierrettung verständigen und hierher schicken. Am besten gestern.
Er bückt sich über den Hund und streicht ihm über den Kopf. Der schaut mit großen Augen zu ihm hoch, dann fällt der Schädel auf das Kissen zurück. Die Pfoten zucken reflexhaft.
Der Sandner tigert im Flur auf und ab. Wo diese Tiersanitäter bloß bleiben? Er hat keine Ahnung von lebensrettenden Maßnahmen bei Terriern. Mund-zu-Schnauze-Beatmung wird es wohl kaum sein. Keinen klaren Gedanken bekommt er zusammen.
Ist der Hund dem Yilmaz in den Weg geraten? Er wollte offenbar dem Sandner eine Botschaft hinterlassen. Verschwinde! Zeigen, wer der Herr im Haus ist. Am helllichten Tag! Was ist mit diesen Nachbarn los? Herrschaftszeiten. Alle gehörlos?
Noch vor den Rettungskräften ist der Indianer da. Er steht urplötzlich im Flur. Seine Miene ist undurchdringlich. Die Lippen zusammengepresst, die Stirn von Falten durchzogen. Er sagt nichts. Ungläubig betrachtet er sein Türschloss.
Der Sandner winkt ihn in die Küche.
Noch immer schweigend kniet er sich zu seinem Tier. Mit beiden Händen greift er nach dem Hund, versucht, die Wunde unter dem Fell zu finden. Der hat die Augen verdreht. Das Japsen wird schwächer, geht in ein kaum vernehmbares Pfeifen über. Noch immer rinnt das Blut.
Der Sandner versucht, dem Indianer mit zwei Sätzen das Wesentliche zu erklären, insbesondere, dass er nicht für den Zustand des Hundes verantwortlich ist. Höchstens indirekt.
Chingachgook nickt immerzu, ohne ein Wort zu verlieren, während er sich an seinem Hund zu schaffen macht.
»Ayasha begleitet mich sonst immer«, stößt er plötzlich hervor, wie um sich zu entschuldigen. »Jeder weiß das. Ich war bei einer Frau. Sie hat eine Tierhaarallergie – glaubt sie.«
Der Sandner starrt auf den Hundeleib. Ein Kloß sitzt in seinem Hals.
Ist er an den Isarauen unterwegs, könnte er auf die hechelnde Meute, die den banalen Spaziergänger zum Exoten stempelt, gerne verzichten. Mehr Viecher als Bäume. Hier und jetzt hat er nur den Wunsch, Ayasha möge überleben. Sie muss es schaffen! Er zögert einen Moment, dann legt er dem Mann die Hand auf die Schulter. Der nickt, bevor er sich wieder dem Terrier zuwendet.
Lange bevor sie die Wohnung betreten, hören die beiden Männer die trampelnden Schritte des Tiernotteams. Zwei Frauen, die wissen, was sie tun. Profis. Sie arbeiten blitzschnell. Innerhalb einer halben Minute ist das Viecherl in ihrem Wagen verstaut.
»Ja keine Bullen!«, zischt ihm der Indianer zu. »Das hier ist meine Sache – keine Bullen!«
Das sieht sein Untermieter anders. Ja, der Indianer mag persönlich betroffen sein, aber es ist eindeutig Sandners Sache. Zusammen mit dem Rettungspersonal verschwindet der Häuptling von der Bildfläche.
Der Polizist bleibt allein zurück. Unfassbar! Er könnte augenblicklich zum Yilmaz und ... Um was zu tun, Sandner? Er müsste die Spurensicherung hier haben. Aber angenommen, sie könnten dem Yilmaz den Einbruch nachweisen, wäre er keinen Schritt weiter. Jackendiebstahl, Einbruch und Tierquälerei. So tragisch es für die Ayasha ist – ermittlungstechnisch für den Sandner nicht ergiebiger wie ein Ordnungsvergehen bezüglich Wildbieseln. Da wird der Yilmaz kaum sagen: »Da fällt mir ein, nachdem Sie mich eh am Wickel haben, dass mit dem Wessold war ich auch. Jetzt kann ich’s ja zugeben.«
Hinter der offenen Tür sieht er einige Gestalten auftauchen. Kinder. Ins Bett scheinen die nie zu müssen. Besorgt blicken sie in seine Richtung. Die drei Geschwister von heute Morgen sind auch dabei.
»Wie geht’s der
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