Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
in die Hansastraße, nicht ohne der Isabella zurückzuschreiben:
»Hast du Zeit für einen Kaffee?«
»Bei mir?«, kommt die prompte Antwort.
Alles hat seine Zeit. Dass er im Friseursalon »Arabella« auf eine Goldader gestoßen sein könnte, ist ihm noch nicht klar. Den Glanz hast du ja nicht immer gleich vor Augen. Im Moment schaut alles noch aus wie Dreck – selbst die notierten Namen in seinem Filofax.
D er Sandner ruft in der Tierklinik an und erkundigt sich nach Ayasha. Sie wäre auf dem Weg der Besserung. Wenigstens dem Viech gingees passabel. Und seinem Besitzer? Schon bevor er die Wohnung des Indianers erreicht hat, hört er Geräusche aus dem Inneren. Die Tür ist noch nicht repariert. Jeder könnte hier ein und aus spazieren. Jemand auf der Suche nach dem Koks? Der Sandner glaubt nicht an einfache Lösungen. Trotzdem geht er mit Vorsicht an die Sache heran. Behutsam öffnet er die Tür einen Spalt. Er hält den Atem an. Waffe hat er keine. Zur Not muss die dreckige Straßenkampfkunst genügen. Wer immer sich hier aufhielte ...
»Komm schon rein, Josef«, ruft ihm Chingachgooks Stimme entgegen. Der Sandner drückt die Türe ganz auf und betritt so unbeeindruckt wie möglich die Wohnung. Er schiebt die Hände in die Taschen. Der Mann sitzt in der Küche auf einem Schemel, in einer Hand eine Teetasse, in der anderen einen Joint. Er nickt dem Sandner zu und grinst. Die Augen sind glasig.
»Woher hast du gewusst, dass ich es bin?«, fragt der Sandner und zieht sich einen Stuhl heran.
»Die Schritte auf der Treppe klangen nach dir.«
»Sie haben dich also gehen lassen.«
»Ja.«
»Ja, und?«
»Was willst du?«
»Das Koks war nicht bei Yilmaz.«
»Ich hab es abgeliefert, wie du gesagt hast. Befehl ausgeführt. Der Rest ist Schweigen. Deine Sache.« Er zieht lange vom Räucherwerk.
»Mhm«, brummt der Sandner.
»Glaubst du das nicht?«
»Doch.«
»Alles okay – oder?«
»Jaja.«
»Think positive.«
»Der Ayasha geht’s gut.«
»Ich weiß, ich komm gerade aus der Klinik. Morgen kann ich sie abholen. Übrigens, das mit dem Koks war Zufall.«
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Beinahe verlegen.
»Zufall?«
»Aus dem Schlafzimmer kam ein Geräusch. Da hab ich mir schnell gepackt, was gerade in der Nähe war.«
»Von wegen – ich nahm ihm etwas, das ihm wichtig war. Aha.«
»Klang besser, oder?«
»Ja – traditioneller. Von mir aus bleiben wir bei der Version.«
Der Sandner grinst. Er weiß nicht, was es noch zu sagen gäbe. Er erhebt sich, geht in sein Kammerl und packt seine Sachen zusammen.
Der Indianer kommt ihm nach. Lehnt sich an den Türrahmen und beobachtet ihn. »Was hast du jetzt vor?«, will er wissen.
Der Sandner richtet sich auf.
»Sollte ich dir nicht sagen.«
»Mach keine Unterschiede, Josef. Jeder kann gut sein, und jeder böse.«
»Wie meinst du das?«
»So, wie ich es gesagt habe.«
»Dank schön. Ich werde dran denken, roter Mann.« Der Sandner schultert seine Tasche.
»Mani wastete yo«, sagt der Indianer feierlich.
»Wollt ich auch gerade sagen.«
Draußen ist er. Denn an sich ist nichts weder gut noch böse ; das Denken macht es erst dazu, lässt Shakespeare seinen Hamlet feststellen.
A n der U-Bahn Haltestelle Harthof greift die Wiesner den Hauptkommissar auf. Mit quietschenden Reifen schießt der Wagen aus der Bushaltebucht, noch ehe der Sandner den Gurt in der Hand hat. Er schüttelt bloß den Kopf. Es gilt, die Rennfahrerin nicht abzulenken.
»Here we go«, verkündet die ihm. Während sie dem Peugeot die Sporen gibt, schildert die Polizistin ihm ihr Zusammentreffen mit Perisic, nebst Jonnys Catchernummer mit dessen Eheweib. Und dass der Hehler sich bei ihr melden wird. Schließlich hätten sie die Frau verhaftet. Ein kleiner Anreiz, um aus dem Perisic die Wahrheit herauszukitzeln – so er seine Gattin schnell wiederhaben wollte.
Sie sind auf dem Weg nach Stadelheim. Langsam kommt sich die Wiesner schon wie ein Stammgast vor. Der Sohn vom Gestreiften fristet dort seinen Alltag. Noch neun Monate, dann wäre er wieder in Freiheit. Beeindruckende Karriere für einen Vierundzwanzigjährigen. Besser gesagt, mangelndes Talent. Es wird wohl kein Verbrechen gegeben haben, bei dessen Begehung er nicht erwischt worden ist. Wahrscheinlich hat er nicht einmal unentdeckt ein Stoppschild überfahren können. Ein armes Schwein, genau wie sein Vater, der jeden Tag beim Ansi hockt und sein Selbstmitleid im Schnaps ertränkt. Eine Mutter hat es auch gegeben.
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