Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
kurz.
»Willst du mich bestechen?«
»Wofür?«
»Wie viel Zeit opferst du denn?«
Der staksige Rotschopf aus Altusried folgt dem Madl nach. Im Flur lehnt sie sich mit den Schultern an die Wand und schaut ihn an. Sie schafft es, dabei die Lider halb zu schließen. »Keinen Hunger«, haucht sie.
Er bückt sich und legt die Schnitten auf dem Boden ab. Unbändig lebendig fühlt er sich, wild wie ein Viech im Wald, das nichts denken muss, nur für den Augenblick sorgen. Er hat Witterung aufgenommen. Der Sandner und der Fall, der Anruf seiner Mutter, das Bremslicht, das er reparieren muss, die Mahnung von der Stadtbibliothek – alles fällt von ihm ab. Die Isabella fragt nichts. Sie will ihn jetzt. Ihn. Einfach so. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Vielleicht ist es das. Vielleicht kann man sich daran gewöhnen. Vielleicht sollte man sich nie daran gewöhnen.
D er Sandner hätte die Mohnschnitten nicht verschmäht. Das schnell hinuntergewürgte Croissant bei der Frau Fuhrer ist eine Weile her. Seitdem nichts. Er beschließt, im Harthof eine Gastwirtschaft zu suchen. Die Wiesner setzt ihn wieder an der U-Bahn ab. Mitkommen will sie nicht.
Nach der üblichen Strecke, vorbei am Fundort von Yilmaz’ Leiche, hat er eine passable Mittagskneipe ausgespäht. Nichts für zarte Gemüter, die es vorziehen, drei Arten Silberbesteck samt gestärktem Tüchlein neben dem Tellerstapel vorzufinden. Das Nötigste ist vorhanden. Stabile Eichentische, gewohnt, dass Biergläser und Humpen auf sie niederfahren wie Thors Hammer. Fleckig und speckig, gleich der Schürze des Kochs, der die Fritteuse mit verbundenen Augen in sieben Sekunden zerlegen und wieder zusammenbauen könnte.
Der Sandner setzt sich an einen freien Tisch mit Blickrichtung Eingang. Er wird vom freundlichen Bedienungsmadl mit einer Karte und dem gewünschten Radler versorgt. Ruhig geht es zu. Drei Männer in weißen Overalls haben sich, die Rücken gebeugt, über Wiener Schnitzel von dekadenter Größe hergemacht. Sehen nach Malergesellen aus.
Der Sandner bestellt sich eine gebratene Forelle mit Salzkartoffeln. Lange muss er nicht warten. Kaum dass er sich zurückgelehnt hat und die wimmelnden Gedanken eingefangen – Kneipenmeditation –, wieselt die Kellnerin mit seiner Mahlzeit herbei.
Wie sein Fisch aufgetischt wird, weiß der Sandner in selber Sekunde, dass er ihn nicht genießen wird. Ihre Augen treffen sich. Milchig weiß herausgequollen die einen, zusammengekniffen die anderen. Er lupft das hauchdünne Zitronenscheibchen vom gebratenen Leib und hält es unschlüssig fest.
In der Tür steht die Frau Yilmaz, samt Sohn und einigen Begleitern, mit finsteren Mienen bestückt. Einen Moment lang beugt er sich tief über seinen Teller, aber sie hat ihn erspäht. Der Fisch bietet keinen Schutz.
Ihre Finger deuten auf ihn. Als würde eine Kräuterhexe ihn beschwören.
Du!
Der Verfluchte lässt das Zitronenscheibchen fallen und tastet nach seiner Brieftasche mit dem Polizeiausweis. Umsonst! Der liegt gewiss noch auf dem Schreibtisch vom Polizeirat. Er kann sich nicht erinnern, ihn wieder eingeschoben zu haben. Seine eigene Unbeherrschtheit hat ihm eine Linke verpasst. Den Rest würde die Begleitung von Frau Yilmaz spielend erledigen. Er fegt das Messer vom Tisch. Was herumliegt, bringt die Leut auf falsche Gedanken. Seine Gabel lässt er im Ärmel des Sweatshirts verschwinden. Eine tödliche Waffe, so du ein Shaolin-Mönch bist. In Sandners Händen ein Witz mit vier Zinken. Genauso gut hätte er die Forelle einschieben können. Die gleiche Waffengattung.
Es sind anscheinend keine Geschäftspartner des Dealers. So weit, so gut. Sieht eher nach Verwandtschaft aus. Kinder sind dabei und Frauen. Für Standing Ovations wäre also gesorgt im Kolosseum. Die Schwarzhaarige redet aufgeregt auf ihre Begleitung ein, gestikuliert in seine Richtung. Handys werden gezückt. Für ihn ist es zu spät zu telefonieren.
Drei der Männer nähern sich ihm zielstrebig, Entschlossenheit im Blick. Sie stapfen durchs Lokal, als gehöre es ihnen. Keiner sagt einen Ton. Stummfilm der besonderen Art. Die Luft knistert. Ein Gewitter steht an, und der Sandner darf den Blitzableiter geben.
Die Weißgewandeten sehen überrascht von der Fleischarbeit auf. Ihre Kiefer mahlen derweil stoisch weiter.
Vor seinem Tisch bauen sich die drei auf. In ihren Begräbnisanzügen wirken sie wie eine Prophezeiung. Sie scheinen in Sandners Alter. Keine versierten Knochenbrecher nebst
Weitere Kostenlose Bücher