Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
mit Geschichten und Episoden aus der Friseurzunft und dem Schulalltag bis zum Platzen. Die Hälfte davon so glaubwürdig wie Münchhausens Kanonenkugelritt. Aufgeräumt klingt er, der Hartinger, als hätten sie gerade keinen kritischen Fall an der Backe, sondern würden sich auf einen Betriebsausflug im Grünen vorbereiten.
Nachdenklich schiebt die leitende Ermittelnde das Handy wieder in die Tasche. Von Grünzeug ist sie auch gerade umgeben. Hauptsächlich. Neben Busch und Strauch scheinen hier auch Zigarettenpackungen, Burgerschachteln und Gummibärchentüten prächtig zu gedeihen. Inzwischen sind das essenzielle Bestandteile, der Busen von Mutter Natur ist längst aus Silikon.
Da vorn sitzt er, der Perisic, wie er es versprochen hat, auf dem Holzbankerl, und er ist nicht allein. Ein zauseliges Männchen hat sich gerade zu ihm gesellt, nebst Bierflasche. Bei ihrem Näherkommen springt der Perisic auf. Er scheint hypernervös.
Diese Ecke vom Ostpark ist samstagabends so unbelebt wie ein Vogelbauer in der Tierhandlung. Selbst bei unbeständigem Wetter. Spielende Kinderhorden, Hundebesitzer, turtelnde Pärchen, Jogger, jedwede Spielart menschlicher Existenz scheint vorhanden. Warum der Perisic von »allein« gesprochen hat, ist der Polizistin ein Rätsel. Von dessen Banknachbar wird sie prompt angequatscht.
»Mademoiselle, hätten Sie vielleicht eine Zigarette für mich?«
Sie schüttelt stumm den Kopf und geht mit dem Perisic ein paar Schritte.
Der Mann steht auf und kommt ihnen mit unsicheren Schritten nachgeschlappt.
»Oder vielleicht eine kleine Spende, Mademoiselle?«
Ihr Begleiter sagt noch immer nichts. Sie kramt in ihren Jackentaschen, bis sie ein Eurostück ertastet. Irgendeine Münze ist immer vorhanden – den Einkaufswagen sei Dank. Sie drückt sie dem Mann in die rabenschwarze Pfote.
»Vergelt’s Gott, Mademoiselle. Ein schönes Fleckerl ist das hier und ...«
»Halt endlich die Fresse und hau ab, du Penner«, giftet der Perisic.
Der Alte wirkt gekränkt.
»Penner sagst du? Ist das dein Park, hä? Scher dich doch zurück, wo du herkommst.«
Der Perisic dreht sich zu ihm um.
Die Wiesner zupft ihn am Ärmel. »Aufhören, lassen’S den doch.«
»Komm bloß her du ... du ... Stinkstiefel«, stänkert der Zausel. Er schüttelt den Arm mit der Bierflasche. Die Wiesner weiß, wie so etwas laufen kann. Aus dem Nichts und wegen nichts kann Blut fließen. Manchmal ist das Leben billiger als ein Tetrapack Fusel.
Der Perisic scheint sich mit seiner Frau das gleiche Temperament zu teilen.
»Wenn Sie dem Mann was tun, verhaft ich Sie sofort«, zischt sie ihm zu. »Los, gehen wir.«
Er reißt sich los und starrt den Bärtigen an. Die Kiefer mahlen – sichtbares Zeichen seines inneren Konflikts.
»Wir haben eine geschäftliche Verabredung. Hallo – erinnern Sie sich? Sie wollten reden.« Sie hat das Gefühl, auf eine der weggeschmissenen Burgerschachteln einzutexten. Außen bunt, innen hohl.
Der Perisic wendet sich ihr langsam zu und zwingt sich zu nicken. »Ja, reden wir.«
»Kommen daher und führen sich auf, das Gschwerl«, kommentiert der Zausel abschließend. »Hier geht es nicht zu wie bei dir daheim in deiner Jurte, merk dir das, du Baraber, du windiger.« Mit dem Zeigefinger weißt er auf den Perisic. »Hey du – merk dir das!«
Falsche Ansage. Dem Angesprochenen brennen die Sicherungen durch. Schlagartig. Eine schnelle Bewegung – seine Faust fegt den Betrunkenen von den Beinen. Bier spritzt der Wiesner auf die Jeans.
»Scheiße!«, schreit die Polizistin und reißt ihn an der Schulter zurück. »Du Volldepp!«
»Loslassen«, plärrt der und schüttelt die Frau ab. Die Fäuste geballt, pumpt er sich auf. Maikäfer vor dem Flug. Nicht von dieser Welt. Der Fachmann würde auf mangelnde Impulskontrolle verweisen. Dieses Manko teilt er aktuell mit der Wiesner. Die könnte explodieren, Nitroglyzerin ist ein Dreck dagegen. Der mit Bier begossene Pudel ist nicht ihre Paraderolle. Sie faltet den Perisic zusammen – verbal. Wenn er keinen stählernen Armschmuck tragen wollte, sollte er jetzt das Mäuschen spielen. Aber der ist nicht aufnahmefähig. Sie kennt die Kategorie. Alles muss raus. Blutroter Schleier vor den Augen, das wutgetränkte Hirn kann sich nur eine Lösung ausdenken. Immer drauf. Wieder packt sie ihn am Arm. Nicht mit ihr. Da hat der Yilmaz keinen Falschen zusammenfallen lassen. Die beiden sind in der gleichen Werkstatt zusammengebaut worden. Montagsproduktion.
Leute
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