Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
laufen zusammen, ein Kreis Neugieriger bildet sich um die Kampfstätte. Der Zausel sitzt am Boden. Die Beine ausgestreckt, tastet er nach seiner Nase. Blut quillt zwischen seinen Händen hervor.
Die Wiesner reißt den Polizeiausweis aus der Tasche und reckt ihn in die Höhe. »Polizei«, ruft sie. »Alles okay.«
»Was ist da okay?«, will ein empörter Weißhaariger berechtigterweise wissen. »Der Mann ist schwer verletzt.«
Der Perisic reißt sich los und rennt. Das darf nicht wahr sein. Soll sie dem Deppen schon wieder hinterher? Hat wohl in der Kindheit zu wenig Fangermandl gespielt. Kaum hat sie ein paar halbherzige Schritte in seine Richtung gemacht, ist die Hatz vorbei. Ihr wird die körperliche Arbeit abgenommen. Wie sich der Flüchtende rüde den Weg zwischen zwei schnatternden alten Damen bahnen will, schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Es benützt eine der Seniorinnen dazu. Und die benützt ihre Handtasche – wuchtig und wirkungsvoll. Volltreffer. Die hat gewusst, wo Schmerz herauszukitzeln ist. Der Mann sinkt mit einem schrillen Maunzen in die Knie und presst sich die Hände zwischen die Beine. Hin und her wälzt er sich auf dem Kies.
Die Münchnerin darfst du per se nicht unterschätzen. Wehrhaft und reaktionsschnell in jeder Altersklasse. Wahrscheinlich aktive Judo-Kämpferin seit 1958, und für Notfälle wartet immer ein praktikabler Ziegelstein im Tascherl, gemeinsam mit Pfefferspray und Elektroschocker. Der Städter ist gewappnet gegen jedweden Peiniger.
Die Wiesner ist gefordert. Alles hält die Luft an und verharrt. Kein Vogelschrei, kein Hundebellen unterbricht ihre rituelle Handlung. Sie schreitet lässig auf Perisic zu, und es klicken die Handschellen. Der Mann ist kampfunfähig. Kaum, dass er aufstehen kann. Von Weitem hört sie eine Sirene näher kommen. Wahrscheinlich der Notarzt. Manch einer zieht sein Handy schneller als sein Schatten.
Der Zausel steht inzwischen wieder auf wackeligen Beinen und genießt die Aufmerksamkeit. Von allen Seiten werden ihm Taschentücher und nutzlose Ratschläge gereicht. Ein glatzköpfiger Hänfling, offenbar mit ärztlichen Kenntnissen ausgestattet, starrt ihm intensiv in die Augen und grapscht sich sein Handgelenk. Die Bierflasche ist unversehrt geblieben. Nur der Inhalt ist reduziert. Die Hälfte hat die Wiesner abbekommen. Das arme Prügelopfer nimmt einen Schluck auf den Schreck und einen aus alter Gewohnheit.
»Jetzt reden wir halt woanders.« Die Polizistin zerrt Perisic voran.
»Ich weiß nicht, was Sie wollen«, jammert der, ganz unverstandener Mann.
»Ich weiß aber, was Sie wollen«, bekommt er zur Antwort. »Sie betteln drum, dass ich Sie endlich wegsperr, Perisic. Ihr Wunsch ist mir Befehl.«
Die Handtasche der Seniorin sollte sie sich kurz borgen. Liebend gern hätte sie damit die Antworten aus ihm herausgeprügelt. Der Mann schabt mit grober Feile an ihrem Nervenkostüm.
Sie schafft den Perisic von dannen. Kleinlaut trabt er neben ihr her. Den Kopf gesenkt, keiner mehr von den wilden Kerlen.
»Ich schick die Kollegen«, verabschiedet sie sich vom Publikum. »Rühren Sie sich bitte nicht weg, wegen der Zeugenaussagen.« Wenigstens käme ihr so keiner nachgeschlichen.
Vor dem Parkeingang schafft sie den Perisic in ihr Auto. Ihre Hose stinkt nach Bier, als hätte die Wiesner im Brauereikeller genächtigt. »Was zum Kuckuck sollte das?«, poltert sie im Wagen los.
»Haben Sie gehört? Hat mich beschimpft, der Hurensohn und ...«
Die Wiesner lässt einen Schrei, bis die Lungen komplett entleert sind. Das tut gut. Einmal zu oft gehört, das depperte Sprücherl. Muss als Entschuldigung für alles Denkbare herhalten. Vom Schubsen auf dem Schulhof bis zum Schädelspalten mittels Streitaxt.
Ihr Begleiter klappt den Mund zu. Ihm klingeln wohl die Ohren. Das Manschgerl verschenkt freigiebig ihre Zeit. Wenn er nicht aufpasst, wird er seine hinter Gittern fristen.
Und falls er kein Analphabet ist, kann er diesen Umstand in ihrem Gesicht lesen. Es steht da in knallroten Großbuchstaben.
»Wer hat Sie überzeugt, die Anzeige gegen Yilmaz zurückzunehmen?«
»Ich kann gehen und meine Frau auch?«
»Perisic – ich werfe Sie nicht aus dem fahrenden Wagen auf die Straße. Ist das ein Deal?«
»Wenn der erfährt, dass ich geredet habe – ist nicht lustig.«
»Wenn Sie nicht endlich den Mund aufmachen, haben Sie auch nix mehr zu lachen, das prophezeie ich Ihnen. Ich werde Ihr Albtraum.«
Der Perisic nickt. »Also gut. Aber wenn
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