Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Der Sandner scheint begehrt zu sein wie Seltene Erden. Alle Welt will etwas von ihm abhaben.
Der Sheriff stapft auf ihn zu, seine uniformierte Begleitung, dünn und unscheinbar, verleiht ihm den passenden Rahmen.
Der Wirt tritt wieder in Erscheinung. Er buckelt hündisch, wie der Leibeigene vor dem Großwesir. Hören ist Gehorchen.
»Hätt ich mir denken können«, bellt der feiste Polizist und zieht sich einen Stuhl heran. Rittlings setzt er sich dem Hauptkommissar gegenüber und schenkt ihm einen strengen Blick. Den Auftritt hat er stilvoll hinbekommen. Sein Kollege gibt die Statue. Der Sandner kaut ruhig an seinem letzten Bissen. Hastiges Schlingen ist ungesund. Denken manchmal auch.
»Denken ist nie verkehrt«, sagt der Hauptkommissar konträr zu seiner Eingebung.
»So wie ich es verstanden habe, sind Sie nicht mehr zuständig. Raus aus der Ermittlungsarbeit. Scheiß gebaut. Also, was machen Sie hier?«
»Essen. Die Forelle hier ist hervorragend. Kann ich nur empfehlen.«
»Der Wirt sagt, Sie sorgen für Ärger.«
Der Sandner schaut zu den »Weißen«. Die sind fertig mit der Mahlzeit und machen sich zum Aufbruch bereit. Keiner sieht in seine Richtung. Kein Wort zu viel.
»Ärger? Nicht dass ich wüsste.«
Der Sheriff lässt die Finger Squaredance tanzen auf der Tischplatte.
»Ihre Kollegin hat die Frau vom Perisic verhaften lassen. Warum?«
»Keine Ahnung. Wir verhaften so viele Leut, da verschwimmt der Überblick. Raus und rein, rein und raus – der ewige Kreislauf.«
»Der Überblick? Ja, der ist schnell verloren, wenn man nicht aufpasst, und nicht nur der.«
»Manchmal reicht es, wenn man was spürt. Die wichtigen Sachen hat man ja nicht immer vor Augen, das ist wie beim Saint-Exupéry.«
»Haben Sie den auch verhaftet?«
»Der ist tot.«
»Mord?«
»Schwer zu sagen. Abgestürzt.«
»Manche Leute haben die Scheiße am Schuh kleben. Wenn man sich hier umschaut – wird halt nicht jeder als Prinz geboren.«
Der Sandner schaut an ihm herunter, bis auf die polierten Schuhe.
»Und nicht jeder Lump trägt Lumpen«, sagt er.
Der Sheriff rutscht mit seinem Stuhl nach vorn. Zwiebeln müssen seine Hauptmahlzeit sein. Er runzelt die Stirn, scheint über das Gesagte nachzugrübeln. Geht hurtig voran mit der Kopfarbeit.
»Passen Sie gut auf, Sandner. Wenn es in meinem Revier was gibt, weiß ich auch Bescheid, verstehen Sie? Und wenn hier jemand etwas Schräges macht, klopf ich ihm auf die Finger. Ich kenn meine Leute.«
»Ihr Revier, aha. So wie neulich bei der Frau vom Slatko. Haben Sie der auch auf die Finger geklopft?«
Der Uniformierte lehnt sich zurück und seufzt.
»Jetzt hören Sie mir mal zu«, sagt er wie zu einem Kind, »manchmal muss man ein bisserl nachhelfen, dass die Menschen verstehen. Zu ihrem Besten. Hier begreift das jeder. Und ich lasse bestimmt nicht zu, dass Sie herumkläffen, wie ein tollwütiges Viech, und alle verrückt machen, sonst ...«
»Sonst? Der Yilmaz und der Wessold, haben die Sie nicht verstehen wollen?«
»Sie sind ein Arschloch, Sandner.« Der Mann ruckt hoch. Der Stuhl fliegt zu Boden. Im Griff hat er sich nicht, der Companero. Sollte er lernen – zu seinem eigenen Besten. Er beugt sich nach vorn, bis sein Schädel nahe beim Sandner ist. Zu nahe für dessen Geschmack. Den Zwiebelatem wollte er nicht inhalieren. Zum Glück ist er mit der Mahlzeit fertig. Wenn er den Mann noch länger ertragen muss, wird sich die Forelle beschweren. Unwillkürlich wird sein Griff um die Gabel fester. Bei einem Hintern dieses Volumens wäre eine Heugabel das richtige Instrument. Verlockender Gedanke.
»Ich habe gedacht, wir können klarkommen«, knurrt der Kollege. »Von Mann zu Mann.« Er schüttelt betrübt den Kopf. »Ich werde einfach mit Ihrer Dienststelle sprechen und Meldung machen. Wie viel Ärger können Sie noch einstecken, hä? Sie sind doch jetzt schon erledigt. Sie können einpacken. Hasta la vista.«
Mit seiner stummen Kollegenmarionette macht er sich nach draußen. Den Wirt beschenkt er noch mit einem Kopfnicken. Zuckerstückchen fürs brave Informieren. Erledigt? Ist er das? Den Sandner hat der Hafer gestochen. Er hat den Dicken provozieren wollen, und der ist aufgegangen wie ein Hefeteig. So weit, so gut, so wenig hilfreich. Vielleicht ist er wirklich ein Arschloch? Ihm schießt ein Gedanke ein. Der Sheriff säubert sein Revier, indem er die Verbrecherbagage ins Jenseits schickt. Alter Krimistoff. Selbstjustiz, weil die Gerichte zu zahm sind und der Frust
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