Der Tod kommt in schwarz-lila
verhindern?«
»Ich fürchte, nichts. Bislang hat er noch keinen Fehler gemacht, aber der Zeitpunkt wird kommen. Jeder macht irgendwann einen Fehler«, erwiderte Trevisan bissig.
»Und gestern noch gaben wir eine Pressekonferenz«, murmelte Brenner. »Wenn die Presse davon erfährt, dann werden wir uns einiges anhören müssen.«
Trevisan nickte. »Wir waren etwas zu voreilig.«
Nachdem Brenner gegangen war, rief Trevisan sein Team im Konferenzzimmer zusammen. Es war Zeit für ein Gespräch.
*
Er stellte das Bild an seinen Platz. Den Platz hatte er mit Bedacht gewählt. Es störte ihn nicht, dass auch die Frau auf dem Bild war. Im Gegenteil, diese Frau würde für ihn einen Teil des Schmerzes tragen. Warum sollte er sie also ausschließen?
Vierzehn Kerzen brannten auf dem kleinen Altar. Mit Backsteinen und Brettern hatte er eine Art Treppe auf dem Tisch errichtet. Die Bretter waren in schwarzen Samt gehüllt. Den Stoff hatte er sich bei Mutter besorgt. Plastikblumen und ein paar Muscheln hatte er fein säuberlich angeordnet. Der Altar verströmte eine Frische, die er förmlich riechen konnte. Auf der obersten Stufe hatte er zwei Bilder platziert. Mutter und Vater. Darunter ein Bild von ihm und seinen Geschwistern. Es waren schöne Aufnahmen, lachende Gesichter, fröhliche Stimmung. Ein grober Gegensatz zu dem schwarzen Samt. Auf der dritten Stufe stand das Bild eines älteren Mannes mit einer Mütze. Einer typischen Friesenmütze, wie sie hier im Wangerland allerorten getragen wurde. Es war das Gesicht eines Toten.
Er ordnete die Kerzen. Zufrieden blickte er auf seinen Altar. Er war viel schöner als der Altar in der alten Kirche, in der er gestern gewesen war. Er war auch viel schöner als der Altar, den seine Mutter im Schlafzimmer errichtet hatte. Er kniete sich auf den Boden, schloss die Augen und murmelte ein Gebet. Ein kleines Kindergebet, das früher Mutter mit ihm gebetet hatte. Es hatte etwas mit dem Seelenheil der Menschen zu tun. Seine Seele hatte Narben zurückbehalten, doch er hatte die richtige Medizin gefunden, um diese schmerzhaften Narben zu heilen.
Er fuhr zusammen, als er die Stimmen hörte. Vorsichtig schlich er zum Fenster. Wer konnte das nur sein? Hier war seit Wochen niemand mehr vorbeigekommen.
Das helle Sonnenlicht, das durch die Ritzen des geschlossenen Rollladens fiel, schmerzte in seinen Augen. Er kniff sie zu dünnen Schlitzen zusammen und spähte hinaus. Nichts war zu sehen. Er entspannte sich. Hatte er sich getäuscht? Nein, plötzlich war ein helles Lachen zu hören. Seine Augen fuhren suchend herum. Am Schuppen lehnte ein Fahrrad. Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. Dann entdeckte er das Mädchen. Sie kam auf das Haus zu. Er griff in seine Tasche und zog das scharfe Messer hervor. Das Mädchen blieb stehen und ging zurück zu ihrem Fahrrad. Sie holte eine Decke aus dem Fahrradkorb und breitete sie auf dem sandigen Streifen zwischen der Villa und dem Schuppen aus.
Er beobachtete sie. Das Mädchen war schön. Sie trug ein gelbes Bustier und eine kurze, enge Jeans. Sie mochte wohl um die vierzehn sein. Ihr blondes, langes Haar war zu einem Zopf geflochten. Sie ließ sich auf der Decke nieder und blickte verträumt in den Himmel. Er konnte seine Augen nicht mehr abwenden. Das Gesicht des Mädchens zog ihn magisch an. Die Haare, der Zopf, die süßen kleinen Sommersprossen um ihre Nase.
»Mareike«, flüsterte er leise. Schon wollte er sich aufrichten und zu ihr gehen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Etwas hielt ihn zurück. Obwohl sie mehr als zehn Meter von seinem Versteck entfernt auf der Decke lag, bildete er sich ein, sie riechen zu können. Es war der Duft einer Blumenwiese.
Was gäbe er dafür, wenn er sich einfach neben sie legen könnte. So wie früher. Er versank in seinem Tagtraum. Das blaue Gesicht verblasste. Auch die strenge und unnachgiebige Maske verlor für einen kurzen Augenblick die Macht über ihn. Er war allein. Alleine mit sich selbst und mit diesem schönen und so vertrauten Gesicht, draußen im Sand der Dünen.
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Es kam aus dem Flur. Erschrocken fuhr er herum. Hitze durchwogte seinen Körper. Schweiß brach aus seinen Poren. Schritte drangen vom Flur in sein Versteck. Wenn sie ihn hier entdeckten, dann blieb ihm keine andere Wahl. Fest umklammerte er das Messer. Es gab ihm Sicherheit.
»Anja, wo bist du?«, rief das blonde Mädchen laut. Er wandte den Kopf zum Fenster. Das Mädchen hatte sich
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