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Der Tod macht den letzten Schnitt

Der Tod macht den letzten Schnitt

Titel: Der Tod macht den letzten Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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Fahrer
warnen?
    Fußgänger, die offenbar unterwegs zu
den Studios waren, überquerten gerade die Straße, als der Wagen unvermittelt
mit Tempo von der Bordsteinkante wegzog, als hätte der Fahrer gemerkt, daß er
sich total verfahren hatte. Ein Mann aber bemerkte den Wagen offenbar nicht,
und für eine Warnung war es zu spät. Buchstäblich in letzter Sekunde wendete
der Mann sich um und sah den Wagen, machte aber keinen Versuch, sich zu retten.
Panischer Schrecken schien ihn zu lähmen, wie er auch Mr. Pringle lähmte. Der
Aufprall schleuderte ihn hoch, er drehte sich in der Luft, als wollte er doch
noch ausweichen, war aber nicht behende genug. Er schlug schwer auf den Boden
auf und wurde von einem der Hinterreifen am Schädel getroffen.
    Erst der verzweifelte, qualvolle
Aufschrei des Mannes befreite Mr. Pringle aus seiner Erstarrung. Er sah jetzt,
wie der Wagen unvermindert schnell und offensichtlich ahnungslos davonfuhr und
um die Straßenecke verschwand.
    Mit zitternden Knien stolperte Mr.
Pringle vorwärts und kniete neben dem Bündel Mensch nieder. Einmal bewegte der
Mann sich zuckend und stöhnte auf.
    Mr. Pringle hatte gelernt, was als
Erste-Hilfe-Maßnahme zu tun war, aber sein Hirn konnte sie einfach nicht
abrufen. Schließlich schob er behutsam seinen Arm unter den Kopf des Mannes,
und als das Erleichterung zu verschaffen schien, schob er den Plastikbeutel,
den der Mann hatte fallen lassen, als Polster unter seinen Kopf.
    Es war alles so schnell passiert. Eben
noch hatte Mr. Pringle sich auf den Tag gefreut, der vor ihm lag, jetzt starrte
er in ein vom Schmerz verzerrtes Gesicht.
    «O Gott!»
    «Ganz ruhig liegenbleiben, alter Junge.
Hilfe ist unterwegs.» Verzweifelt blickte Mr. Pringle in die Menge, die sich
aus dem Nichts eingefunden hatte. «Hat jemand einen Krankenwagen gerufen?»
    «Ja, natürlich.»
    «Ist denn kein Arzt hier? Oder eine
Schwester?» Diesmal nur ratlose Blicke. Und Mr. Pringle entdeckte den
blutdurchtränkten Stoff seines Jackettärmels — das Unfallopfer mußte eine
Schädelverletzung haben. So ruhig wie möglich sagte er: «Sie dürfen sich nicht
bewegen, Sir. Liegen Sie ganz still, bis Hilfe kommt.»
    Der weiße Haarschopf bewegte sich
nicht, aber die Augen blickten zu ihm hoch. «Niemand hat schuld... mein
Fehler», murmelte der Mann klar und voll bei Bewußtsein.
    Die Worte lösten das Schweigend der
Menge, die bisher gebannt im Kreis gestanden hatte. Meinungen wurden laut, bis
eine Stimme die anderen übertönte: «Und ich habe das Kennzeichen.»
    «Dann schreiben Sie es auf. Da, nehmen
Sie die Zeitung», forderte Mr. Pringle den Mann auf. Er warf wieder einen
besorgten Blick auf das Opfer, das die Augen gegen das Gerede geschlossen
hatte.
    Der Mund war ein scharfer, blutleerer
Strich. «Ganz ruhig liegenbleiben, Sir, es dauert nicht mehr lange», sagte Mr.
Pringle zuversichtlicher, als ihm zumute war. Diese verdammte Kostensenkung im
Gesundheitswesen, diese verdammte Privatisierung. Herrgott, wann käme endlich
Hilfe?
    Zehn Minuten dauerte die Ewigkeit. Der
Krankenwagen fuhr vor, und einer der Männer wollte Mr. Pringle auf die Beine
helfen, um die Trage zu plazieren, aber jetzt flutete der Schreck über Mr.
Pringle in kalten, nassen Wogen. Er saß mit ausgestreckten Beinen da und fühlte
sich hundeelend. Ein Polizeibeamter erschien, wechselte ein paar
unverständliche Worte mit der Ambulanzbesatzung und hockte sich neben ihn.
    «Alles in Ordnung, Sir?»
    «Er... er...» Mr. Pringle zuckte.
    «Wir kümmern uns um ihn. Sie setzen
sich in den Streifenwagen, bis ich alles hier aufgenommen habe. O. K.?»
    Eine Hand zog ihn hoch. Sein
Gleichgewicht suchend, lehnte Mr. Pringle sich an die Schulter des Beamten und
beobachtete, wie eine Decke über den Kopf des Opfers gezogen wurde.
    «So kann er doch nicht atmen!»
    «Das ist O.K.. Sie setzen sich jetzt in
den Streifenwagen», sagte der junge Beamte ruhig, und Mr. Pringle wußte
plötzlich, daß der Mann, von ihm unbemerkt, gerade gestorben war.
    Elend vor Mitleid saß er hinten im
Streifenwagen, beschallt von der knackenden Funkanlage. Unter seinen Sachen,
die neben ihm lagen, entdeckte er auch den blutverschmierten Plastikbeutel, der
ihm gar nicht gehörte. Er hob eine schwache Hand, um darauf hinzuweisen, aber
der Krankenwagen fuhr schon fort. Macht nichts, er würde ihn dem Polizeibeamten
geben. Viel wichtiger war seine zusammengefaltete Ausgabe des Guardian. Oben
in der Ecke war hingekritzelt: hellbrauner Ford, Kennzeichen M

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