Der Tod macht den letzten Schnitt
Lärm
prallte von Decke und Wänden zurück, als Mullin und Newton mit ihren Tabletts
den Tisch ansteuerten, an dem Pat, die Produktionsassistentin, über ihren
Unterlagen brütete.
«Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?»
fragte Newton liebenswürdig.
«Wenn Sie es kurz machen. Ich muß die
letzte Szene mit dem Drehbuch vergleichen, ehe wir weitermachen.»
Newton ließ sich seine Verärgerung
nicht anmerken. «So kurz wie möglich, Miss Fagan.»
Pat musterte mißbilligend die Menüs.
«Großer Gott, Sie essen totes Fleisch?»
Mullin hatte einen Räucherhering noch
nie unter dem Aspekt betrachtet. Newton schluckte verstohlen den Bissen
Backhähnchen hinunter. Pat klärte sie ernsthaft auf: «Die werden mit Hormonen
vollgepumpt. Die Hühner füttern sie sogar mit kleingehackten Schnäbeln und
Füßen von Batteriehühnern, die von krebserzeugenden Viren befallen sind...»
«Wenn wir uns auf die Fragen
konzentrieren könnten, Miss Fagan! Versuchen Sie bitte, sich zu erinnern, was
auf jedem der Monitore kurz vor Roberts Aufschrei zu sehen war.»
«Wie weit zurück? Während Szene
neununddreißig im Flur lief?»
«Wenn das die vorausgegangene Szene
ist, ja bitte. Beobachten Sie routinemäßig alle vier Monitore, und können Sie
alle Mitwirkenden sehen?»
«Der Bildmischer beobachtet
normalerweise die Handlung. PAs notieren die Einstellungen, aber in diesem Fall
fragen Sie mich zu Recht» — Pat spielte ihre Professionalität aus — , «denn
Virginia langweilte sich momentan zu Tode und würde nicht mal merken, wenn Jack
the Ripper auf einem der Monitore Damenkehlen auf schlitzte.»
Newton verstand, daß das ein Scherz
sein sollte, und lächelte entsprechend.
«In Szene neununddreißig benutzte
Bernhard zwei Kameras», erinnerte Pat sich, «Eins und Drei. Anfangs gab es eine
kurze Einstellung auf Zwei, aber davon abgesehen hatte Kamera Eins die Totale
und Kamera Drei Halbnah.» Darunter konnte Newton sich nicht viel vorstellen und
Mullin auch nicht.
«Gab es keine Einstellungen, die genau
festhielten, an welcher Stelle sich jeder befand?»
«Bei einer Seifenoper kannst du dir den
Luxus, alle vier Kameras simultan zu nutzen, nicht leisten. Da wird an allem
gespart und gegen die Uhr gearbeitet. Bernhard stöhnt, alle Regisseure stöhnen,
weil keine Zeit ist für Feinarbeit. Du betest einfach, daß die Schauspieler
ihren Text können und nicht in die Möbel laufen. Fernsehen heutzutage...» und
Pats Schultern hoben sich, um anzudeuten, wie tief die Profession gesunken war.
Newton probierte einen anderen
Einstieg. «Es soll Montag einen Wortwechsel gegeben haben, der über einen
Mikrofongalgen mitgehört wurde.»
«Ja, zwischen Jacy und Simon»,
antwortete Pat ohne Zögern. «Aber das war früher. Er ist Kamermann. Er und Jacy
sind befreundet — waren befreundet, besser. Gerüchteweise heißt es, er sei zu
seiner Frau zurückgekehrt...» Sie biß herzhaft in einen Gemüseburger.
«Worum ging der Streit?»
«Bedaure, ich habe nicht zugehört. Ich
mußte die Zeit checken.»
«Wissen Sie, was nach dem Streit
passierte?» fragte Mullin.
«Ich bin ziemlich sicher, daß Simon
sich von der Kamerahilfe hat ablösen lassen, was nicht fair war, denn die
nächste Einstellung für Kamera Zwei in der Szene mit Margarite war tückisch.»
«Sie meinen die Szene, in der eine
Kamera das Objektiv durch die Tür steckt, durch die Miss Charles eingetreten
war?» fragte Newton langsam.
Pat sah ihn anerkennend an. «Sagen Sie,
haben Sie das Kamerascript gelesen?»
«Das würde ich mit Sicherheit nicht
verstehen. Nein, nein, der Aufnahmeleiter hat diese spezielle Einstellung
erwähnt. Inwiefern war sie für einen unerfahrenen Kameramann schwierig?»
«Der Schußwinkel war tückisch. Deshalb
dachte ich mir gleich, daß nicht Simon hinter der Kamera war, als ich auf den
Monitor sah. Offensichtlich wollte die Kamerahilfe den Schwenk üben und schob
die Kamera direkt zur Notaufnahme-Deko, als er über Kopfhörer hörte, daß er für
die Flurszene nicht mehr gebraucht wurde.»
«Mit anderen Worten, Kamera Zwei war in
Stellung vor der Notaufnahme.» Newtons Griff um Messer und Gabel wurde fester.
«Richtig — vor der Tür. Wenn ich einen
Lageplan hätte, könnte ich es Ihnen aufzeichnen. Moment...» Pat kramte in ihrem
Berg von Scripts und Akten, sozusagen ihrem zweiten Ich. «Das müßte reichen»,
sagte sie, drehte den Zeitplan um und skizzierte das Studio. «Hier ist die
Flurszene» — sie zeichnete ein Rechteck in die untere
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