Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
unbedingt allzu viele Möglichkeiten zum Seitensprung, aber ich habe auch nicht danach gesucht. Wie Franziska es gehalten hat, weiß ich nicht. Wir hatten einmal die Abmachung getroffen, sollte einer von uns beiden einem außerehelichen Vergnügen nachgehen, dass er dies dann bitte für sich behalten und den anderen nicht mit unnötigen Details quälen möge. Ich werde Franziska also nicht damit belästigen, wie er- und aufregend es war, Stefanie Assmann zu küssen. So liege ich neben meiner ruhig schlafenden Frau, und das schlechte Gewissen hält mich noch lange wach.
[zur Inhaltsübersicht]
21. Kapitel
D er neue kommissarische Schulleiter der Vogelsbergschule Schotten Bernhard Dohmknecht lässt zwanzig Minuten auf sich warten, ehe er mich in Ellen Murnaus Büro hineinruft, das kaum drei Tage nach der Beerdigung schon zu nutzen ihm nichts auszumachen scheint. Eine Entschuldigung seinerseits bleibt aus. Das negative Bild, das ich von ihm habe, scheint sich problemlos zu bestätigen.
Bernhard Dohmknecht, ein großgewachsener, kräftig gebauter Mann Mitte fünfzig, mit hellbrauner weiter Kordhose und kariertem kurzärmligen Oberhemd bekleidet, bietet mir keinen Platz an. Ich setze mich trotzdem.
«Herr … äh?»
«Bröhmann.»
«Herr Bröhmann, ich habe eigentlich gar keine Zeit. Mir steht alles bis hier.» Mit der Handkante berührt er sein markantes glatt rasiertes Kinn. «Wissen Sie, man soll ja über Tote nicht schlecht reden, aber was meine Vorgängerin mir hier für einen Scherbenhaufen hinterlassen hat, das passt auf keine Kuh.»
Haut, denke ich. Kuh-haut!
«Regeln wir das also bitte fix. Um was geht’s denn, Herr Braumann?»
Ich korrigiere meinen Nachnamen nicht, sondern stelle gereizt und trocken die Mutter aller Hauptkommissarsfragen:
«Herr Dohmknecht, wo waren Sie am vergangenen Mittwoch zwischen 17 und 18 Uhr?»
Bernhard Dohmknecht, der bis zu diesem Zeitpunkt in einer Schreibtischablage herumgewühlt hat, hält mit einem Schlag inne.
«Wie bitte?»
Ich wiederhole meine Frage.
«Das ist ja wohl unfassbar.»
Ich merke, wie er mich am liebsten hinausschmeißen würde, doch im letzten Moment reißt er sich am Riemen.
«Reine Routine, nicht wahr?», sagt er nun in milderem Ton und nickt mir unsicher zu. Ich tue ihm nicht den Gefallen, seine Annahme zu bestätigen.
«Warten Sie», grübelt er, «ich war zu Hause, am Schreibtisch, habe Klassenarbeiten korrigiert.»
Nun freue ich mich auf meine Nachfrage. Ein weiterer Klassiker: «Gibt es dafür Zeugen?»
Dohmknecht schüttelt den Kopf und bringt hervor, dass er allein lebe.
«Sie hatten kein allzu gutes Verhältnis zu Frau Dr. Murnau, nicht wahr?»
Ich bilde mir mehr und mehr ein, ihn in die Ecke zu drängen. Und das gefällt mir.
«Wir hatten in manchem verschiedene Ansichten, das ist alles. Aber was sollen diese Fragen eigentlich? Sie suchen doch nach einem jugendlichen Täter. Ich habe jetzt aber gerade das ungute Gefühl, als würden Sie mich verdächtigen. Ich kann dem offen gesprochen nicht folgen. Was soll das also bitte alles?»
Ich freue mich nun diebisch «Ich stelle hier die Fragen» bellen zu können.
«Ich bin hier seit 27 Jahren Lehrer, ja?» Dohmknecht sieht mich an, als erwarte er Applaus. «Ich bin der dienstälteste Lehrer hier. Ich kenne mich hier wahrlich aus, das können Sie mir glauben. Eines war immer mein Grundsatz: Ich will die Kinder auf das Haifischbecken Leben da draußen vorbereiten.»
Er nickt ein paarmal, als müsse er sich selber Mut machen, weiterzureden.
«Hören Sie, die Schüler, die wissen bei mir, woran sie sind. Und mir braucht wirklich keiner erzählen, wie Lehrer-Sein geht. Auch keine Frau Murnau. Die kommt hierher, irgendwo aus Norddeutschland, weiß alles besser und glaubt, das Rad neu erfunden zu haben. Und alles so von oben herab. Als hätten wir bisher die Schüler falsch unterrichtet. Nee, nee, nee, so nicht, so geht das nicht.»
Dohmknecht schüttelt noch eine Weile lang den Kopf, murmelt «Nee nee nee» in sich hinein, und dann bricht es erneut aus ihm heraus.
«Die wollte mich tatsächlich noch auf Fortbildungen schicken. Neue Unterrichtsmethoden und so ’n Mumpitz. Ich soll mich mit meinen 56 Jahren noch auf diesen albernen digitalen Whiteboard-Mist umstellen? Bei mir weiß der Schüler, woran er ist. Funktioniert er und bringt er die Leistung, dann hat er keine Probleme. Tut er’s nicht, bekommt er Schwierigkeiten. So ist nun mal das Leben, so funktioniert doch das
Weitere Kostenlose Bücher