Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
nur ein fünfzehnjähriges Mädchen, das ihrem Vater alles erzählt. Vor allem, wenn es um Liebesdinge geht. Schalt mal deinen Kopf an, echt!»
Darauf schweige ich, wissend, dass er nicht ganz unrecht hat.
«Und noch was, Henning, Melina kann doch gar nicht beurteilen, ob sich in ihren Mails, ihren SMS oder Facebook-Nachrichten eine Spur verbirgt. Ich bin mir sicher, Henning, du würdest das genauso sehen wie ich, wenn Melina nicht deine Tochter wäre.»
Da hat er recht, muss ich zugeben.
«Aber Teichner bleibt da draußen», sage ich. «Der liest keine Zeile.»
Ich sehe Markus im Rückspiegel grinsen.
«Das machen wir beide», fahre ich fort. «Wir lesen das Zeug, sonst niemand. Oh Gott, wie sie mich hassen wird.»
Und wie sie es tut. Sie schreit, kreischt, heult. So wie ich es erwartet habe, nur noch schlimmer.
Immer wieder versuche ich es ihr zu erklären, so wie es Markus mir auch gerade von Auto zu Auto erklärt hat, doch ich komme nicht durch.
«Muss das wirklich sein?», flüstert mir Franziska zu und macht eine hilflose Armbewegung.
Ich zucke nur mit den Schultern.
«Ich hasse dich», schreit meine Tochter. Mein Versprechen, dass ihre Daten nur von Markus und mir gelesen würden, entspannt die Situation nicht wirklich.
Wie kotzt mich das alles an! Ich bin emotional so sehr auf Melinas Seite – und doch muss ich das Ding hier durchziehen.
Mit einem letzten Blick auf die auf ihrem Bett kauernde, heulende Tochter und einem kurzen flüchtigen Kuss auf Franziskas Wange verlasse ich, das Notebook unter dem Arm und das Smartphone in der Tasche, mit Markus mein Haus. Scheiß Beruf, ich hab’s ja immer gesagt.
Den Termin hatten alle vergessen. Und er passt so überhaupt gar nicht in die hektische Betriebsamkeit, die neuerdings in der Polizeidirektion Alsfeld Einzug gehalten hat.
Manni Manfred Kreutzer steht, inzwischen aus dem Krankenhaus zwangsentlassen, mit einem großen Tablett voller Käsespießchen mit Landesfahnen, Hackfleischbällchen, garniert mit Minibabybels im Weg, wie nur er es kann.
Sein Ausstand. Heute feiert er seinen Abschied als Polizeipraktikant. Und das möchte er nicht alleine tun. So läuft er mit Tablett in der Hand in den Gängen herum und versucht uns alle verzweifelt zusammenzutreiben. «Ja, gleich, Moment, Sekunde noch», sagen wir alle und wuseln um ihn herum.
Melinas Passworte können alle problemlos geknackt werden, soweit das überhaupt nötig ist. Noch immer ist mir flau im Magen. Ich mag das nun alles nicht lesen. Es geht mich einen Scheiß an, und doch bin ich froh, dass ich überhaupt dabei sein darf und es mir nicht wegen etwaiger Befangenheit ganz aus der Hand gerissen wird. Mit Markus als Mitleser kann ich leben. Seine Aufgabe ist klar: Er hat aufzupassen, dass ich nichts lösche.
«Hier, ihr Leut, kommt doch mal grad zusamme», versucht es Manni ein weiteres Mal. Ein wenig tut er mir leid, wie er da so verloren herumsteht. Ein paar Minuten später reißt sich ein jeder von seiner Arbeit los, und wir stellen uns im Halbkreis vor Manfred, der noch immer das Tablett mit beiden Händen fest umklammert. Mit lauter Stimme und erstaunlich deutlicher Aussprache legt er los:
«Liebe Kollegen, liebe … ja, lasst es mich ruhig so sagen … Freunde. Die seid ihr für mich in dieser Zeit, in der ich hier bei euch praktizieren durfte … äh … gewesen. Ich bin kein Freund großer Worte, daher braucht ihr keine Angst haben, dass ich hier eine allzu lange Rede halte. Ja, ich denke mal, nein besser, ich weiß, dass ich viel von euch gelernt habe, und hoffe im gleichen Gedankengang, dass auch ihr ein klein wenig von mir lernen konntet. Zum Beispiel, wie man auch mal locker vom Hocker an die Dinge rangehen kann. Das ist ja so ’ne spezielle Spezialität von mir. Vieles, was ich hier mitbekommen durfte, konnte ich für mein Buch verwenden. Das war auch mein Ziel. Und bei einem könnt ihr sicher sein, ich werde net zu denen gehören, die, wenn wo mein Roman durch die Decke geht, dass ich dann einer von denen bin, die wo euch dann net mehr zu kennen glauben. Ich werde, und das sei hiermit versprochen, immer mit beiden Böden auf den Füßen stehen, äh, also … na ja egal, ihr wisst schon …»
Ich bemerke, wie Markus neben mir unruhig mit den Hufen scharrt.
«Als ich hier seinerzeit anfing …»
Nun macht Manni eine lange Pause und blickt gedankenverloren bis gerührt an die Polieidirektionsflurdecke.
«Tja, mir kommt es vor, als sei es gestern gewesen, oder
Weitere Kostenlose Bücher