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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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Beifahrerbereich ragten. Aber ich fühlte mich
sehr
wohl.
    Ned fuhr langsam, damit die Fahrräder nicht hin und her schepperten, und ich wünschte, wir hätten einen längeren Weg vor uns gehabt.
    “Wie geht es deiner umwerfenden älteren Schwester?”, fragte mich Bruno, als wir in den Shore Boulevard einbogen.
    Warum fragst du nicht Ned?
, wollte ich sagen, doch vermutlich käme das nicht gut an. Jedes Mal wenn ich Bruno am Strand traf, machte er eine Bemerkung über Izzy. Er hatte eine Schwäche für sie, so viel war sicher, und ich fragte mich, ob es Ned aufgefallen war.
    “Es geht ihr prächtig”, sagte ich.
    “Prächtig, allerdings.” Bruno lachte und hielt sich – so gut es mit Lucy auf dem Schoß eben ging – die Hände vor die Brust. Es dauerte einen Moment, bis ich die Anspielung auf Isabels Oberweite verstand.
    “Lass das”, wies Ned ihn zurecht, und richtete sich dann an mich. “Hey, Jules, ich habe da etwas, das du ihr geben kannst.”
    Ich war nicht überrascht, als er sich hinunterbeugte und mir dann die Spielzeuggiraffe reichte.
    “Was ist das?”, fragte Lucy. Sie griff mit ihrem unversehrten Arm nach der Giraffe, doch ich hielt sie außer Reichweite.
    “Das ist für Isabel”, entgegnete ich, und sie zog ihre Hand zurück.
    “Izzy und ich wissen es zu schätzen, dass du deinen Mund halten kannst, Jules”, sagte Ned.
    Ich drehte den Kopf, um ihm ins Gesicht zu sehen. Die Sonne spiegelte sich in den Gläsern seiner Sonnenbrille. Diesen Moment wollte ich für immer bewahren.
    Wir hielten in der Auffahrt der Chapmans. Da unser Wagen vor unserem Bungalow stand, wusste ich, dass meine Mutter und Isabel daheim waren.
    “Weißt du”, wandte ich mich an Ned und bemühte mich, möglichst erwachsen zu klingen. “Wenn Bruno euch begleiten würde, würde meine Mutter es Isabel vermutlich erlauben, mit dir einen Bootsausflug zu machen. In der Gruppe ist man sicher.” Den letzten Satz hatte ich von meinem Vater aufgeschnappt, als er mit Isabel über das Ausgehen in der Clique sprach.
    “Ach ja?” Ned tauschte einen Blick mit Bruno. Lucy ging durch den Garten, wobei sie wieder vorsichtig ihre Füße durch den Sand schob. Ihren verletzten Arm hielt sie weit von sich und sammelte vermutlich schon die Tränen, die bei meiner Mutter fließen würden.
    Ich nickte. “Soll ich fragen?”, bot ich an.
    “Würdest du das tun?” Er lächelte mich an. “Falls sie darf, soll sie herüberkommen. Falls nicht, sagst du es mir, okay?”
    Ich nickte und versuchte, nicht allzu blöd auszusehen, als ich vorsichtig durch die stacheligen Blätter im Chapman-Garten ging.
    In unserem Wohnzimmer faltete Isabel gerade die saubere Wäsche, während meine Mutter und Großmutter großes Aufhebens um Lucy und ihren Arm machten. Sie pinselten die Wunde mit Mercuchrom-Tinktur ein, das, wie ich wusste, entsetzlich brannte. Man musste es Lucy hoch anrechnen, dass sie ihren Arm still hielt und die Prozedur mit geschlossenen Augen über sich ergehen ließ.
    “Izzy”, flüsterte ich und gab ihr die Giraffe, die sie rasch zwischen dem Wäschestapel im Korb verschwinden ließ. “Ned möchte wissen, ob du mit ihm und Bruno auf eine Bootstour mitkommst.”
    Isabel warf mir einen warnenden Blick zu, bevor sie sich wieder der Wäsche widmete.
    “Bruno fährt auch mit”, wiederholte ich.
    Meine Mutter zog ein langes Stück Verbandsmull aus der Packung im Erste-Hilfe-Kasten. Sie schnitt den Streifen ab und sah zu uns herüber.
    “Ich denke, das ist schon in Ordnung, Isabel”, schaltete sie sich ein. “Aber nur eine kurze Tour. Nachdem du mit der Wäsche fertig bist.”
    “Ich kann die Wäsche zusammenlegen”, bot ich an.
    Isabel warf mir einen erstaunten Blick zu. Auf wundersame Weise hatte ich ihr zu einer Bootstour mit Ned verholfen und bot dann auch noch an, ihre Arbeit zu übernehmen. Sie fragte sich natürlich, was ich im Schilde führte, doch sie war so glücklich über die unvermutete Wendung, dass sie mich nicht danach fragte.
    “Danke”, sagte sie, vielleicht zu meiner Mutter, vielleicht zu mir. Verstohlen nahm sie die Giraffe aus dem Korb und ging zur Veranda. Ich wusste, dass sie draußen sofort loslaufen würde.
    Ich faltete die Wäsche und vergrub mein Gesicht in dem frischen Duft, während ich mir vorstellte, was in Neds Garten geschah. Izzy, Bruno und Ned würden in sein Boot steigen, und vielleicht würde sich bei dem Ausflug etwas verändern. Vielleicht würde sie bemerken, wie gut Bruno aussah. Ihm war

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