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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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überrascht hatte, war es doch ein weitaus größerer Schock für Shannon gewesen. Sie hatte einen Monat lang geweint, als Glen ausgezogen war, und ich wusste, dass sie damals Julie die Schuld gegeben hatte, so wie sie es auch jetzt tat. Julie nahm lieber das in Kauf, als irgendetwas zu sagen, das Shannons Gefühle gegenüber Glen beeinträchtigen könnte. Meine Haltung war keineswegs so nobel.
    “Was hat dein Vater dir eigentlich erzählt, warum er und deine Mutter sich haben scheiden lassen?”, wollte ich von ihr wissen.
    Shannon lehnte sich aufstöhnend zurück und blickte an die Decke.
    “Nicht
das
schon wieder”, betonte sie genervt. “Ich habe keine Lust mehr, darüber zu reden, und es ändert auch nichts. Er sagte, dass er sie noch immer liebt, sie aber zu sehr in ihrer Arbeit gefangen ist. Mom hat es nie kapiert … dass ihre Ehe wichtiger war als ihre blöde Granny Fran. Wenn sie das mal erkennen würde, könnten sie wieder zusammenkommen.”
    “Hat das dein Dad gesagt?”
    “Nicht genau, aber es ist doch offensichtlich”, behauptete sie. “Er trifft sich nie mit anderen Frauen. Ich glaube, dass er einfach darauf wartet, dass Mom ihre Prioritäten ändert und ihre blöde Karriere endlich hintanstellt.”
    Ich wurde nun selbst wütend und musste mich zwingen, ruhig zu bleiben. “Dieser blöden Karriere hast du dein Auto, deine Cello-Stunden, deine Sommer im Musik-Camp zu verdanken, und diese blöde Karriere wird auch dein College bezahlen”, klärte ich sie auf. “Oder hätte es zumindest bezahlt.”
    Sie verdrehte die Augen und starrte wieder an die Decke. Sie merkte, auf wessen Seite ich stand.
    “Hör mir zu, Shannon”, bat ich. “Ich verstehe, wie sehr du deine Eltern liebst und dir wünschst, dass sie wieder zusammenkommen. Doch das sind Klein-Mädchen-Wünsche. Es wird nicht geschehen. Und auch wenn deine Mutter mehr gearbeitet hat, als für ihre Ehe gut war, trifft sie doch keine Schuld an der Scheidung. Deine Mutter hat deinen Dad geliebt. Versuch dich daran zu erinnern, was sie alles für ihn getan hat. Die Überraschungsreise nach Frankreich, weil sie wusste, wie sehr er dieses Land liebt. Wie sie in dem letzten Jahr der Ehe einen Teil ihrer Lesereise absagte, um ihn während seiner Lungenentzündung zu pflegen. Wie sie ihm überall kleine Zettel mit Liebesworten im Haus hinterließ. Und wer hat gekocht, obwohl sie ebenso wie dein Vater den ganzen Tag gearbeitet hat?”
    Sie hielt ihr Gesicht abgewandt, doch ich konnte sehen, wie sie schluckte.
    “Und darüber hinaus hat sie ihm ein wirklich schönes Zuhause geschaffen. Ja, sie war sehr beschäftigt mit ihrer Arbeit, doch das war er auch. Deine Mutter war keine schlechte Ehefrau.” Ich wappnete mich, denn ich wusste, dass ich gleich ihr Weltbild zerstören würde. “Die Wahrheit ist”, sagte ich, “dass dein Vater eine typische Midlife-Crisis hatte.”
    Sie wandte mir den Kopf zu und sah mich böse an. “Nein, hatte er nicht”, widersprach sie.
    “Doch, hatte er”, entgegnete ich mit Nachdruck. Ich fragte mich, wie viel ich ihr erzählen sollte. “Deine Mutter hat es zugelassen, dass du ihr die Schuld an allem gabst, doch dein Vater war derjenige, der die Ehe beenden wollte. Er wollte –”
    “Willst du damit sagen, dass er sie betrogen hat?” Offenbar war sie bereit für einen Streit. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet.
    Ich zögerte. “Ich finde, er sollte selbst mit dir darüber sprechen, nicht ich.”
    “Ich glaube das nicht.” Sie faltete die Arme vor der Brust, sodass die Hände auf ihrem immer größer werdenden Bauch ruhten.
    “Ja, er hatte eine Affäre.” Ich entschied mich, ihr reinen Wein einzuschenken. “Die Frau, mit der er sich traf, rief eines Tages deine Mutter an, um ihr alles zu sagen. Kannst du dir vorstellen, wie das für deine Mutter gewesen sein muss? Wie sie sich gefühlt hat? Ihr Herz wurde ihr aus dem Leib gerissen. Stell dir vor, dass jemand, der dich liebt … stell dir vor, du findest plötzlich heraus, dass Tanner, dem du offensichtlich vertraust und der dein Freund ist, sich hinter deinem Rücken mit einer anderen trifft. Stell dir den Schmerz vor. Dann multipliziere ihn mit Tausend, denn so hat es sich für deine Mutter angefühlt.”
    Schockiert starrte Shannon mich an. Einen Moment lang schwiegen wir beide.
    “Warum hat sie mir das nie gesagt?” Ihre Stimme war leise, nur ein Flüstern.
    “Was meinst du wohl?”, fragte ich zurück.
    “Damit ich mich

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