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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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hatte.
    “Ich glaube, Neds Brief gehört zu diesen Dingen, die man nie ganz ergründen kann”, sinnierte er.
    “Könnte Ned sich in jener Nacht kurz fortgeschlichen haben, irgendwann zwischendurch, als Sie und er zusammen waren?” Ich bemühte mich, nicht anklagend zu klingen.
    Mr. Chapman wirkte enttäuscht, dass ich diese Frage stellte, und antwortete nicht. Er fuhr sich erneut über die Lippen und sah hinaus aufs Wasser.
    “Es tut mir leid”, entschuldigte ich mich. “Ich versuche nur, die Puzzleteile zusammenzufügen.”
    “Er war bei mir um Mitternacht”, erklärte er. “Das weiß ich genau. Und das war die Zeit … als es geschah.”
    “Nun, ich war niemals ganz sicher wegen der genauen Zeit”, erwiderte ich.
    “Ned war mit mir da draußen”, sagte Mr. Chapman. “Wir betrachteten einen Meteoritenschauer. Und dann gingen wir ins Bett. Da muss es schon lange nach Mitternacht gewesen sein. Und was für ein Motiv sollte er denn gehabt haben? Er hat deine Schwester angebetet.”
    Ich konnte ihm nichts von meinem Verdacht erzählen, dass sein Sohn ein Verhältnis mit Pamela Durant hatte. Ich musste darauf vertrauen, dass die Wahrheit letztlich ans Tageslicht kam.
    “Ich schätze, Sie haben recht”, lenkte ich ein.
    Ich war erleichtert, als ich das Klappen der Fliegengittertür hörte und Ethan in den Garten kam. Rasch stand ich auf, um ihm zu helfen. Er hatte drei gefüllte Gläser, Plastikteller und die Sandwiches auf einem Tablett dabei. Ich reichte Mr. Chapman sein Glas Softdrink mit Vanillegeschmack.
    “Ich weiß noch gut, wie du in eurem kleinen Boot immer über den Kanal geflitzt bist”, erinnerte er sich, während Ethan und ich uns setzten und anfingen zu essen. “Vor und zurück, von hier bis zur Bucht und wieder zurück.”
    “Weiter durfte ich nicht”, sagte ich.
    “Ich wette, als Teenager warst du ein Teufelsbraten.” Mr. Chapman schmunzelte. Er schien nicht hungrig zu sein, denn er hatte sein Sandwich noch nicht angerührt.
    “Nein”, widersprach ich, “ganz und gar nicht. Nach Isabels Tod entwickelte ich Angst vor allen möglichen Dingen.”
    Mr. Chapman schien das zu betrüben. “Wie schade!”
    “Sie fährt nicht einmal mehr Boot”, schaltete sich Ethan ein.
    “Nein?”, wunderte sich Mr. Chapman. “Oh, das solltest du aber. Ich gehe nach dem Lunch nach Hause und finde, dass ihr zwei einen Ausflug machen solltet. Es ist ein schöner Tag, und auf dem Wasser ist nicht viel los.”
    “Wie wär’s?” Ethan blickte mich fragend an.
    “Nein danke”, wehrte ich ab. Nebenan kletterten die Jungen aus dem Schwimmbecken und rannten ins Haus. Ich war erleichtert, meine Aufgabe als selbst ernannte Bademeisterin aufgeben zu können.
    “Du hast dir ein neues Etikett zugelegt, nicht wahr?”, fragte mich Mr. Chapman.
    “Was meinen Sie?” Ich war irritiert.
    “Früher warst du das ‘Nancy-Drew-Mädchen’. Das ‘Abenteuer-Mädchen’. Und jetzt bist du das ‘Angst-Mädchen’. Du musst so nicht bleiben, weißt du.”
    “Da hat er recht”, pflichtete Ethan ihm bei.
    Merkwürdig, welche Wirkung diese wenigen einfachen Worte von Mr. Chapman auf mich hatten.
Du musst so nicht bleiben
.
    “Vielleicht komme ich mit”, sagte ich zögernd. Ich war noch nicht bereit, das Wagnis einzugehen, doch zumindest so weit, es in Erwägung zu ziehen.
    Mr. Chapman verließ uns gleich nach dem Essen. Ethan und ich standen im Vorgarten und sahen ihn wegfahren.
    “Bist du bereit für die Bootsfahrt?” Ethan legte den Arm um mich.
    Ich zog ein Gesicht, das eindeutig
Ich glaube nicht
besagte.
    “Wie hast du dich gefühlt, wenn du als Kind mit dem Boot hinausgefahren bist?”
    Ich dachte eine Minute darüber nach. “Frei”, erinnerte ich mich. “Bis zu dieser letzten Nacht. Die änderte alles.”
    Er drehte sich um, und wir gingen am Haus vorbei zum Dock. “Das war 1962”, sagte er. “Nun befinden wir uns in einem neuen Jahrhundert. Komm mit.”
    Ich ließ mich bis zum Dock führen. Ethan begann, das Boot von den Haken loszumachen. Ich beobachtete ihn dabei und erinnerte mich daran, wie sich das feuchte, faserige Seil unseres Bootes in meinen Fingern angefühlt hatte. Grandpop hatte mir viele verschiedene Knoten beigebracht. Ich war sicher, dass ich sie noch alle im Kopf hatte.
    Ethan ging zur anderen Seite des Docks. “Los, hüpf rein”, ermutigte er mich. “Ich bin gleich bei dir.”
    Ich blickte hinunter auf das sandfarbene Interieur des Boots. Es schwankte wegen der Bugwelle eines

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