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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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war, und hätte am liebsten geweint, doch vor Ned wollte ich das nicht tun.
    “Wo ist Isabel?”, fragte Ned, als sich das andere Boot von uns entfernte.
    “Was meinst du?”, gab ich zurück. Angst kroch in mir hoch.
    “Wir sind heute aufgewacht, und ihr wart beide fort”, erklärte mein Großvater.
    Ich erstarrte. Instinktiv fing ich an, mir Lügen auszudenken, um mich zu schützen.
    “Ich … ich habe vergessen, ihr zu sagen, dass du sie gestern Nacht nicht treffen konntest”, sagte ich zu Ned. “Und …” Ich erinnerte mich an mein Gebet.
Lass es Isabel gut gehen, und ich höre auf zu lügen.
“Ich habe es nicht vergessen”, gab ich dann zu. “Ich habe es ihr nicht gesagt, weil Bruno mit ihr sprechen wollte. Deshalb habe ich ihm erzählt, dass sie um Mitternacht an der Plattform sein würde.”
    Ned starrte mich an. Es war so früh am Morgen, dass er seine Sonnenbrille noch nicht aufhatte, und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Zorn in seinen blauen Augen.
    “Du hast ihr eine Falle mit
Bruno
gestellt?” Ungläubig sah er mich an.
    “Was ist das mit dieser Plattform?”, wollte Grandpop wissen.
    Ned trat einen Schritt auf mich zu. Er legte mir die Hände um die Hüften, hob mich hoch und warf mich über Bord.
    Ich schoss wie ein Stein ins Wasser, und tauchte dann wieder auf. Ned lehnte sich über die Reling. “Du kleines Miststück”, fluchte er.
    “Hey, hey”, beruhigte ihn mein Großvater. Er hob die Hand, damit Ned innehielt, und beugte sich dann über die Reling, um mir zurück ins Boot zu helfen. Ich zitterte am ganzen Leib, obwohl die Temperatur sicher schon bei fünfundzwanzig Grad lag und das Wasser nicht viel kälter war. Mein steifer Nacken sandte stechende Schmerzen in Richtung Kopf. “Okay, ihr zwei”, versuchte mein Großvater zu schlichten und übernahm das Kommando. “Worüber auch immer ihr euch streitet, lasst es gut sein. Diese Sache ist ernst, und ich will die Wahrheit hören.” Ein größeres Boot fuhr vorüber, und die Bugwelle hob uns erst hoch, bevor sie uns wieder nach unten fallen ließ. Mir war schlecht. Ned und ich sahen uns an. Wir hatte beide etwas zu verbergen, und ich sah ihm an, dass er ebenso gut wie ich wusste, dass wir es nicht länger verheimlichen durften.
    “Isabel und ich haben uns manchmal an der Plattform am Strand getroffen”, begann Ned. “Um Mitternacht.”
    Ich bemerkte, wie mein Großvater mit seinem Ärger kämpfte und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. “Okay”, sagte er wieder. “Und was ist letzte Nacht passiert?”
    “Ich bat Julie, Isabel auszurichten, dass ich sie nicht treffen könne.”
    “Und Bruno kam vorbei und fragte, wo er Isabel finden könnte, und ich sagte, ich wüsste nicht, wo sie im Moment ist, doch dass er sie gegen Mitternacht an der Plattform finden würde. Und ich war dann auch draußen, und ich …” Ich hatte Angst, es laut auszusprechen.
    “Was?”, bohrte Ned.
    “Ich hörte sie schreien. Ich hörte sie nach –”
    “Betätige das Horn!”, befahl Grandpop Ned, ging jedoch an ihm vorbei und tat es selbst, wobei er mit der anderen Hand winkte. Als Ned und ich uns umwandten, sahen wir einen Klipper der Wasserpolizei, den Grandpop zum Anhalten bringen wollte.
    Wir verhielten uns ruhig, als der Klipper beidrehte. “Wir haben die Zwölfjährige – Julie”, teilte Grandpop ihnen mit, und erst da begriff ich, dass sie die Wasserpolizei nach mir hatten suchen lassen. “Doch das ältere Mädchen wird noch immer vermisst.”
    “Sie waren nicht zusammen?”, fragte einer der Männer.
    Grandpop schüttelte den Kopf. “Sehen Sie bei der Plattform am Strand von Bay Head Shores nach”, sagte er. “Die Kleine hörte von dort etwa um Mitternacht einen Schrei.”
    Wir folgten dem Klipper in Richtung Strand. Grandpop stand neben Ned, hielt sich an der Windschutzscheibe fest und starrte unbewegt nach vorn.
    “Grandpop”, stammelte ich. “Es tut mir leid.”
    Er antwortete nicht. Vielleicht hatte er mich bei dem ohrenbetäubenden Lärm des Motors nicht gehört. Ned verlangsamte die Fahrt, als wir uns der leeren Plattform näherten. Der einzige Mensch am Strand war eine Frau, die einen großen braunen Hund ausführte.
    Der Klipper der Wasserpolizei drehte an der Plattform bei, doch Ned starrte auf einen Klumpen Seetang an der schilfbewachsenen Ecke des Strandes. Plötzlich stand er auf.
    “Oh Gott”, sagte er tonlos. Er zog sein T-Shirt aus und sprang ins Wasser. Ich griff nach Grandpops Arm, als er in

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