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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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Nancy Drews Freund. “Hallo, Ned”, wiederholte ich für mich, nur um seinen Namen noch einmal auf meiner Zunge zu spüren.
    Er erreichte die andere Seite des Zauns und beugte sich vor. Seine Ellenbogen ruhten auf dem Metallbalken über dem Maschendraht. “Du bist ja ein Frühaufsteher”, sagte er.
    “Du auch.”
    “Wie viele hast du gefangen?” Er beugte sich weiter über den Zaun, um in den Eimer zu schauen.
    “Bisher fünf.”
    “Magst du sie?”
    “Zum Essen, meinst du?”
    Er nahm einen Zug von der Zigarette und stieß den Rauch langsam aus. “Was sonst?”, fragte er.
    “Eigentlich nicht.” Ich kicherte und ärgerte mich, dass ich mich wie ein Kind aufführte. “Aber Grandma liebt sie. Und ich fange sie gern, also hat jeder was davon.”
    “Aha.” Er rieb sich mit der Hand übers Kinn, als prüfe er, ob er sich rasieren müsse. Die Geste war sexy. “Hat Izzy gestern Abend Schwierigkeiten bekommen?”
    Ich nickte. “Sie darf den ganzen Tag nicht raus. Aber sie bat mich, dir etwas zu geben.”
    Vorsichtig balancierte ich an der Spundwand zurück und versuchte ihn zu beeindrucken, indem ich mich nicht am Zaun festhielt. In unserem Garten legte ich Eimer und Netz beiseite, holte die Giraffe unter dem Deckchair hervor und reichte sie ihm. “Sie bat mich, dir dies hier zu geben.”
    Er lächelte und nahm mir die Giraffe aus der Hand. Ich schämte mich für Isabel, dass sie ihm etwas so Dummes geben wollte. Ich glaubte ihr nicht, dass sie ihm gehörte.
    “Das ist nett, dass du das für sie tust.” Er sah mich an.
    Ich streckte mich so weit wie möglich und fragte mich, wie meine kleinen, kaum vorhandenen Brüste in dem kindlichen Badeanzug wirken mochten. Ich musste diesen Sommer einen Bikini bekommen, wenn Mom es erlaubte.
    “Sie sagte, sie gehört dir”, sagte ich.
    “Ja, das tut sie tatsächlich”, erwiderte er. “Danke, dass du sie mir gebracht hast. Sag ihr, es ist alles okay.”
    Ich hörte Geräusche von seiner Veranda. Da ich nicht im Garten der Chapmans sein wollte, wenn der trottelige Ethan rauskam, verabschiedete ich mich von Ned und ging zurück zu unserem Dock, um nachzusehen, ob wieder neue Krabben an der Wand hingen.
    Nach dem Mittagessen schleppten Grandpop, Daddy und ich das Boot zum Yachthafen. Wir tankten es auf, wobei Grandpop wie ein kleiner Junge auf dem Pier auf und ab hüpfte. Ich wusste, wie er sich fühlte. Allein der Geruch des Benzins, gemischt mit dem salzigen Duft des Wassers, erfüllte mich mit reiner Freude.
Ich komme nach ihm
, dachte ich insgeheim. Genauso wie ich liebte Grandpop einfach alles an der Küste – das Wasser, das Angeln, die Boote, die Gerüche, den Abendhimmel. Wir sahen uns nicht ähnlich. Er war fast kahl und hatte ein trauriges Gesicht, das mich immer an einen Bassett erinnerte, doch wir ähnelten uns in vielerlei Beziehung.
    Er und ich unternahmen eine kleine Tour durch die Bucht, bevor wir mit dem Boot in den Kanal und in unser Dock fuhren. Grandpop ließ mich die Hälfte der Zeit ans Steuer und erlaubte mir sogar, das Boot in unser Dock zu manövrieren. Er lobte mich, dass ich es großartig gemacht hätte. Unser Boot hatte kein Steuerrad, sondern nur einen am Motor angebrachten Griff für die Ruderpinne. Ich war froh, dass ich den Dreh so schnell heraushatte. Als ich vom Boot auf die Spundwand springen wollte, wäre ich allerdings beinahe gefallen, doch Grandpop sagte, dass das in ein paar Tagen kein Problem mehr wäre. Ich machte das Boot an den Haken seitlich des Docks fest und genoss das Gefühl des nassen, rauen Taus unter meinen Fingern. Ich bedauerte Izzy. Der erste richtige Tag an der Küste, und sie durfte nicht einmal aus dem Haus.
    Ich setzte mich eine Weile zu ihr und Lucy auf die Veranda, um zu lesen. Lucy und ich saßen in den Schaukelstühlen, und Isabel hatte sich auf dem Bett am Ende der Veranda ausgestreckt, um dem Haus der Chapmans so nahe wie möglich zu sein. Ich bemerkte, dass sie nicht eine einzige Seite umblätterte. Sie starrte zum Garten der Chapmans und wartete vermutlich darauf, einen Blick auf Ned zu erhaschen. Er und Mr. Chapman arbeiteten an ihrem Boot, und ich bezweifelte, dass sie von ihrem Platz aus das Dock der Chapmans im Blick hatte. Doch wenn Ned durch den Garten ging, um etwas aus dem Haus zu holen, konnte ich fast hören, wie laut Izzys Herz schlug. Ich verstand ihre Gefühle. Er hatte die gleiche Wirkung auf mich.
    Vor dem Abendessen fuhr ich allein mit dem Boot hinaus. Mom hatte Bedenken, doch

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