Der Tod meiner Schwester
und mein Vater sagte, dass du trotz aller Hindernisse einen aufgeschlossenen Charakter entwickelt hättest, den dein Vater unterdrücken wollte. Da nannte dein Vater meinen Vater ein
liberales Arschloch
und sagte, dass es meinen Vater nichts angeht, was in seiner Familie geschieht.” Ethan grinste. “Es war ziemlich scharf.”
Ziemlich scharf, wenn man nicht der Anlass des Streits war
, dachte ich. Ich musste allerdings zugeben, dass der Streit nach dem Aufregendsten klang, was hier seit Wochen passiert war. Ich konnte nicht glauben, dass mein Vater das Wort
Arschloch
benutzt hatte.
Ganze neun Tage angelte ich nicht mehr mit Wanda und George, doch dann kam ich wieder. Ich sagte Salena, ich hätte Daddys Erlaubnis. Ich brachte ihnen mehr Blaubeeren und aß ihre Himbeeren und große Brocken Maisbrot, das Salena gebacken hatte. Ich lieh ihnen mein Fernglas und las Wanda weiter vor. Allerdings fuhr ich nur hinüber, wenn mein Vater in Westfield war.
Und ich übte den Spruch, den ich bei der Beichte brauchen würde. “Ich habe meinen Eltern an fast jedem Tag der Woche nicht gehorcht.”
14. KAPITEL
J ulie
Am Morgen nach dem Konzert der ZydaChicks fuhr ich zum Haus meiner Mutter und war gerade dabei, Gartenhandschuhe, Sonnenhut und Insektenschutz aus dem Kofferraum zu holen, als Lucy neben mir hielt.
“Ich habe Bagels mitgebracht.” Sie stieg aus und hielt eine Tüte hoch.
“Oh, das ist großartig”, freute ich mich. “Daran habe ich gar nicht gedacht.”
“Der Hut sieht toll aus zu der Frisur.” Lucy kam näher und berührte die Krempe meines Strohhuts.
“Danke. Wo ist deiner?”
“Habe ich vergessen. Mom wird noch einen übrig haben, da bin ich sicher.”
Wir gingen den Fußweg entlang zu dem Terrassenhaus, dem Haus unserer Kindheit. Wir trommelten mehrmals im Jahr alle verfügbaren Kräfte zusammen, um unserer Mutter im Garten zu helfen. Mom konnte ihre vorderen Blumenbeete bestens selber pflegen, und zu unserem Kummer mähte sie sogar den Rasen selbst. Das tat sie mit einem riesigen Aufsitzrasenmäher, den wir ihr trotz aller Versuche noch nicht hatten entreißen können. Ich hatte ihr angeboten, jemanden zu bezahlen, der das Mähen erledigte, und sagte ihr, dass ich Angst hätte, sie könnte von dem Mäher runterfallen oder sich mit ihm überschlagen. Doch sie tat alle Bedenken als lächerlich ab. Ich fragte mich, wie wir sie dazu bringen sollten, ihren Führerschein abzugeben, wenn die Zeit gekommen war. Immerhin hatte Mom unsere Hilfe beim Gemüsegarten hinter dem Haus akzeptiert, und deshalb waren wir heute Morgen hier.
Lucy klingelte an der Haustür. In dem Glas konnte ich unsere Spiegelbilder ebenso gut erkennen wie in einem richtigen Spiegel. Ähnlich waren nur unsere ovalen Sonnenbrillen, dachte ich. Meine Gläser waren geschliffen. Unsere Gesichtszüge dagegen waren recht unterschiedlich, auch wenn ich beide Eltern in unseren Gesichtern erkennen konnte. Lucys Haar war fast völlig silbern. Außer dem dicken Pony hatte sie alle Haare wie üblich zu dem langen französischen Zopf gebunden, und ich fragte mich, ob mein Haar unter der Farbe und den Strähnen inzwischen genauso aussah.
“Okay, Mom”, rief Lucy, als sie noch einmal klingelte. “Wir sind’s.”
Wir warteten eine weitere Minute. Obwohl es noch früh war, hatten wir schon mindestens fünfundzwanzig Grad, und uns wurde heiß auf der Treppe.
“Ist ihr Auto da?” Lucy lehnte sich zur Seite und blickte zu der verschlossenen Garagentür, als könnte sie hineinsehen.
“Ich habe sie gestern vor dem Konzert angerufen, um Bescheid zu sagen, dass wir kommen.” Leicht beunruhigt griff ich in meine Tasche. “Ich habe meinen Schlüssel dabei.”
Ich zog die Außentür auf, die glücklicherweise unverschlossen war, und öffnete die Haustür.
Wir traten in die angenehme Kühle unseres alten Hauses.
“Mom?”, rief Lucy.
Keine Antwort. Ich ging in die Küche und öffnete die Verbindungstür zur Garage, wo ihr silberner Taurus stand.
Ich wollte gerade nach oben gehen, als Lucy sagte: “Dort ist sie.” Sie deutete in Richtung der gläsernen Schiebetür, die vom Esszimmer zum Innenhof führte. Ich war erleichtert, meine Mutter dort an dem Terrassentisch sitzen zu sehen, den Rücken uns zugewandt. Sie hatte noch ihren leichten Morgenmantel an und Frottee-Slipper.
“Sie muss es vergessen haben”, vermutete ich.
Lucy und ich schoben die Tür auf, und meine Mutter schrak zusammen bei dem Geräusch. Sie wollte sehen, wer
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