Der Tod meiner Schwester
zu große Stück fruchtbarer Erde, mit dem Lucy und ich aufgewachsen waren, doch er schien nun viel mehr Arbeit zu machen als damals. “Und außerdem”, fügte ich hinzu, “habe ich derzeit sowieso wenig Interesse an Sex.” Das war nur die halbe Wahrheit. Ich hatte mich daran gewöhnt, mich selbst für asexuell zu halten. In den letzten Ehejahren mit Glen hätte ich nicht weniger interessiert sein können an Sex, was vielleicht zu den Problemen zwischen uns geführt hatte – noch eine Sache, an der ich schuld war. Doch meine Reaktion auf Ethan – allein auf seine Stimme am Telefon – veranlasste mich, mein Selbstbild als asexuelles Wesen neu zu überdenken.
“Ich fürchte, das wird mir auch passieren.” Lucy warf das Kniepolster neben das Spinatbeet.
“Dir?” Ich starrte sie überrascht an. Ich war davon ausgegangen, dass Lucy ihren unersättlichen Appetit auf Sex behalten würde, bis sie auf dem Totenbett lag – und vielleicht selbst dann noch.
“Schade, nicht wahr?” Sie kniete sich mit einer kleinen Schaufel hin. Ihr Hut hing ihr über die Sonnenbrille. “Ich hätte niemals gedacht, dass ich das mal sagen müsste.”
Wir hörten, wie die Schiebetür aufging, und sahen unsere Mutter auf uns zukommen. Sie trug einen Arbeitsoverall, den ich ihr vor Jahren gekauft hatte, dazu grüne Gummischuhe und einen Strohhut. Sie sah wesentlich besser aus als vor einer halben Stunde.
“Mom, warum setzt du dich nicht und entspannst dich, während Lucy und ich das heute machen?”, schlug ich vor.
Sie hielt inne. “Keine schlechte Idee”, meinte sie. “Ich hole mir nur einen Kaffee und einen Bagel und setze mich dann hier draußen hin, um euch Gesellschaft zu leisten.” Sie verschwand wieder im Haus, während Lucy und ich uns erneut einen bedeutungsvollen Blick zuwarfen.
“Was ist los mit ihr?”, wunderte sich Lucy. Es sah unserer Mutter gar nicht ähnlich, uns die Arbeit tun zu lassen, auch wenn es uns nicht das Geringste ausmachte.
Ich wischte einen kleinen Käfer vom Arm. “Vielleicht hat sie endlich erkannt, dass Gartenarbeit bei dieser Hitze nicht gut für sie ist.” Ich ließ meine Hacke fallen, ging hinüber zur Terrasse, nahm einen Stuhl und trug ihn zu einem schattigen Platz in unserer Nähe.
“Wie kann sie Kaffee trinken, wenn es so heiß ist?”, fragte Lucy, als Mom wieder auf der Terrasse erschien. Sie kam auf uns zu, mit einem Kaffeebecher in der Hand und einem halben Bagel auf einer Serviette. Sie setzte sich in den Stuhl und strahlte.
“Es tut mir so leid, dass ich gestern Abend nicht zu eurem Konzert kommen konnte”, sagte sie zu Lucy. “Wie war es?”
“Wir hatten viel Spaß”, erwiderte Lucy.
“Sie waren großartig wie immer”, schaltete ich mich ein und hob die Hacke auf. Mom hatte mit Shannon und mir zu dem Konzert gehen wollen, dann aber am Nachmittag angerufen, dass sie zu müde zum Ausgehen sei. Ich hatte mir nicht viel dabei gedacht, doch nun fragte ich mich, ob das, was sie gestern so ermüdet hatte, mit ihrer Traurigkeit von heute Morgen zusammenhing. Was mich anging, war ich noch beseelt von der Zeit, die ich gestern Abend mit meiner Tochter verbracht hatte. Es fehlte mir, sie jeden Tag zu sehen. Ich wusste, dass ich sie zu oft anrief und damit verärgerte, dabei griff ich nur bei jedem zehnten Mal, das ich an sie denken musste, tatsächlich zum Telefon.
“Hat Lucy dir gesagt, dass ich eine Mischung aus Geburtstags- und Abschiedsparty für Shannon plane?”, fragte mich Mom.
“Nein”, antwortete ich erfreut. “Das ist eine großartige Idee.”
“Ich dachte erst ans McDonald’s, doch Lucy fand, sie sollte hier stattfinden.”
Ich warf meiner Schwester ein Lächeln zu und formte mit den Lippen ein lautloses
Danke
.
“Hier wäre wirklich perfekt”, untermauerte ich die Idee.
“Ich finde, es sollte eine Überraschungsparty sein”, fuhr Mom fort. “Könntest du mir deshalb vielleicht eine Liste ihrer Freunde und Freundinnen geben, Julie?”
“Sicher.” Ich ging die ganze Sache in Gedanken durch. “Wie wär’s, wenn ich mich um die Einladungen kümmere, damit du damit gar keine Arbeit hast?”, schlug ich vor. “Wir müssen noch mal in den Kalender schauen und einen guten Termin ausmachen. Ende August muss sie am Oberlin sein.”
“Ich halte eine Überraschungsparty für keine so gute Idee”, warf Lucy ein.
“Warum nicht?”, fragte ich und hackte wieder das Unkraut fort.
“Ich weiß nicht. Ich glaube … sie möchte vielleicht ein Wort
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