Der Tod soll auf euch kommen
hätte ich geahnt, wie kalt es hier werden kann«, sagte er auf Lateinisch, der Sprache, in der sie sich alle drei verständigten. »In meiner Heimat kann die Nacht zwar sehr kalt sein, aber schon bei Sonnenaufgang wird einem wieder richtig warm.«
Eadulf deutete auf die dicken grauen Wolken über ihnen.
»Hier ist das anders, mein Freund.«
Gormán hatte ein paar Scheiben gepökeltes Schweinefleisch aus seiner Satteltasche genommen, es auf seine Schwertspitze gespießt und wendete es nun über dem Feuer. Basil Nestorios rümpfte argwöhnisch die Nase.
»Mir ist aufgefallen, daß ihr in diesem Land viel Schweinefleisch eßt. Bei uns gilt das Schwein als unrein.«
»Ein eigenartiges Land, dieses Jundishapur«, murmelteEadulf, nahm einen Schluck
corma
aus dem Trinkhorn und reichte es dann dem Arzt. Der Alkohol würde ihn wenigstens von innen wärmen.
Basil Nestorios sah ihn abschätzig an.
»Ich habe dir doch schon gesagt, daß Jundishapur nur eine Stadt im Land Persien ist. Sie wird auch Genta Shapirta genannt, was ›vom schönen Garten‹ bedeutet. Der König von Persien, mit zweitem Namen Shapur, erlaubte den Nestorianern als erster, in der Stadt Medizin zu lehren.«
»Den Nestorianern? Aber dein Name ist Nestorios«, erklärte Eadulf. »Was hat das zu bedeuten?«
Basil Nestorios zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Du bist ein christlicher Mönch und hast noch nie von den Nestorianern gehört?«
Eadulf nickte.
»Nestorios war ein Mönch im Osten. Er lehrte in Antiochien den christlichen Glauben. Er war ein gebildeter und weiser Mann und ist zum Patriarchen der großen Stadt Konstantinopel ernannt worden.«
»Wann war das?« erkundigte sich Eadulf, der nie eine Möglichkeit ausließ, sein Wissen zu erweitern, auch wenn er mit den Gedanken nur halb bei der Sache war.
»Vor zwei Jahrhunderten, im Jahre 428. Nestorios wurde später der Häresie, wie es die Kirche nennt, beschuldigt. Er leugnete die Verschmelzung der göttlichen und der menschlichen Natur in Christus.«
Eadulf lächelte müde. »Ich dachte, daß sich das große Konzil von Chalcedon 451 darauf geeinigt hätte, daß Christus von einer sterblichen Frau geboren wurde, aber zwei Naturen in sich vereinte – die göttliche und die menschliche, ohne das sie ihre Wesenszüge verlieren.«
Basil Nestorios tat die Sache mit einem Schniefen ab. »Das ist das Dogma von Rom und Konstantinopel. Sie sprechen sogar von den drei göttlichen Naturen neben der menschlichen – der von Gott, Christus und dem Heiligen Geist.«
»Nun, die Menschen hier haben kein Problem damit, an dreieinige Götter und Göttinnen zu glauben, da können sie auch leicht die Heilige Dreifaltigkeit akzeptieren.«
Basil Nestorios schüttelte traurig den Kopf. »Wir glauben, daß es in Christus eine göttliche und eine menschliche Natur gibt, die sich aber nicht zu einer Person verbunden haben.«
»Das sind altbekannte Argumente«, entgegnete Eadulf. »Hat nicht Arius behauptet, daß Christus nicht vollkommen göttlich war, sondern von Gott geschaffen wurde, um uns zu erlösen? Und da gibt es noch die Gnostiker, die behaupten, daß Christus nie ein Mensch war, seine menschliche Erscheinung nur eine Illusion war, damit er unter den Menschen leben konnte. Außerdem sind da noch jene, die meinen, daß Christus ein ganz normaler Mann gewesen sei, der von Gott an Sohnes Statt angenommen wurde, als er im Jordan getauft wurde. Es gibt viele solcher Theorien.«
Basil Nestorios schien unbeeindruckt zu sein.
»Maria kann nicht die Mutter eines Gottes sein, weil sie selbst aus menschlichem Fleisch und Blut war und nichts Göttliches gebären konnte. Doch die Leute, schwach und menschlich wie sie waren, lehnten die logischen Gedankengänge von Nestorios ab.«
»Was geschah dann?«
»In der Stadt Ephesus tagte im Jahre 431 eine Synode, und Bischof Cyril exkommunizierte Nestorios und seine Anhänger. Kaiser Theodosius wies Nestorios aus dem Land. So hat sich unsere Kirche, das sind all jene, die den Lehren vonNestorios anhängen, verselbständigt und ist gewachsen. Wir haben den Glauben bis tief in den Osten verbreitet, bis hinter die große Gebirgskette, die die fremden und exotischen Länder dahinter beschützt. Wir haben die Lehre durch die Wüsten getragen, und Jundishapur ist eines der größten Zentren unserer Lehre.«
Eadulf war fasziniert. »Ich habe noch nie von dieser Kirche gehört, deren Namen du trägst.«
»Nun ja, mein Freund, ich hatte auch nicht gewußt, daß die
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