Der Tod soll auf euch kommen
emsiges Treiben. Die Leute strömten zu den Ställen und Verschlägen mit Rindern, die geduldig auf ihre Käufer warteten. Ziegen, Schweine und Schafe drängten sich in Gehegen. Die Händler priesen lauthals ihre Waren an. Die Käsemacher, die Schmiede, die Bäcker und unzählige andere Handwerker versuchten, Kundschaft anzulocken.
»Ganz anders als beim letztenmal«, sagte Eadulf erfreut.
»Das Leben hat sich wieder normalisiert«, meinte Fidelma nur, als sie über den Marktplatz voranritt und auf die traurigen Überreste der riesigen verbrannten Eibe zusteuerte, die einst höher als die mächtigen Abteimauern gewesen war. Zweiundzwanzig Meter war der Baum einmal hoch gewesen. Fidelma hielt mit Capa und den anderen Kriegern davor an und senkte den Kopf. Eadulf wußte, daß der Baum das Totem der Eóghanacht war, ihr »Baum des Lebens«, angeblich eigenhändig gepflanzt von Eibhear Foinn, dem Sohn von Milidh, von dem die Eóghanacht abstammten. Eadulf war noch gut in Erinnerung, wie die Feinde der Eóghanacht denBaum zerstören wollten. Damals hatte er sich mit Fidelma in der Abtei verschanzt. Sie hatten nicht verhindern können, daß der Baum brannte. Dennoch war es nicht gelungen, ihn zu töten.
»Trotz unserer Feinde«, lächelte Gormán stolz und zeigte auf ein paar grüne Triebe an den höheren Zweigen, »lebt unser Baum immer noch.«
Eadulf war überrascht davon. Seit uralten Zeiten war der Baum Symbol für die Lebenskraft der Dynastie der Eóghanacht. War er gesund und kräftig, so würde es dem Stamm der Eóghanacht ebenso ergehen. Starb der Baum, so würden auch die Eóghanacht gestürzt und ausgelöscht werden. Doch die Eóghanacht hatten wie der Baum überlebt. Wenn man den Barden trauen durfte, so gab es sie schon über fünfundneunzig Generationen, seit Eibhear Foinn sie begründet hatte.
Fidelma und ihre Begleiter wandten sich von der Eibe ab und ritten zur Abtei. Der Torwärter hatte sie bereits erspäht, und so standen die großen Eichentore offen. Eine vertraute Gestalt erwartete sie. Es war Bruder Madagan, der
rechtaire
oder Verwalter der Abtei.
KAPITEL 5
Sie saßen in Bruder Madagans Zelle, von der aus er die große Abtei von Imleach verwaltete. Als
rechtaire
trug er in Abwesenheit des Bischofs die Verantwortung für alle Abläufe in der Abtei, denn Bischof Ségdae war nicht nur Bischof, sondern auch Abt von Imleach. Die Gäste und der Mönch wirkten bedrückt. Bruder Madagan hatte sich von Fidelma dieGründe ihres Besuches erläutern lassen. Dabei war er sich wiederholt mit einem Finger über die Narbe auf seiner Stirn gefahren. Sowohl Fidelma als auch Eadulf erinnerten sich daran, wie er während des Angriffs auf Imleach an dieser Stelle verletzt worden war.
Betroffen von den schrecklichen Nachrichten, bot ihnen Bruder Madagan jede erdenkliche Hilfe an. Fidelma hatte ihm auch von den Pilgern und den anderen Reisenden berichtet, die durch Cashel gekommen waren.
»Du würdest sicher gern mit den Pilgern reden, die hergekommen sind, um in der Kapelle des heiligen Ailbe zu beten, nicht wahr«
»Ja, sehr gern«, stimmte ihm Fidelma zu. »Ich hoffe, daß sie noch hier sind.«
Bruder Madagan nickte. »Doch die anderen, die du erwähnt hast … Bruder Tanaide und der Fremde aus dem fernen Land, die halten sich nicht mehr hier auf. Die haben schon nach einer Nacht ihre Reise nach Westen weiter fortgesetzt.«
»Wer ist Bruder Tanaide?« fragte Eadulf.
»Das ist der junge Mönch, der den Fremden aus Persien als Führer und Dolmetscher begleitet.«
»Was hat dieser Fremde aus Persien hier gewollt?«
»Er nennt sich Bruder Basil Nestorios und beherrscht Griechisch und Latein so gut wie seine Muttersprache. Er war sehr beredt und erzählte viel über sein Heimatland und seinen Glauben. Sehr betrüblich, daß er nur eine Nacht bei uns blieb und dann weiter zur Abtei von Colmán weiterzog. Ihn wollt ihr doch sicher nicht sprechen, oder? Ich bin mir sicher, daß die beiden Brüder nichts mit der Angelegenheit zu tun haben, die euch hierherführt.«
Fidelma lächelte müde. »Bestimmt hast du recht. Vielleicht könnte uns aber etwas, das sie gesehen oder gehört haben, weiterhelfen. Was von einem Außenstehenden bemerkt und für unwichtig erklärt wird, kann am Ende durchaus wichtig sein.«
»Wo liegt die Abtei von Colmán?« wollte Eadulf wissen.
»In Richtung Westen, an der Mündung des Maighin, dem Fluß der Ebene, am Meer«, erklärte der Verwalter. »Auf einem schnellen Pferd braucht man
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