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Der Tod soll auf euch kommen

Der Tod soll auf euch kommen

Titel: Der Tod soll auf euch kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatte ihr Mentor, Brehon Morann, einmalgesagt? »Du hast ein Talent zur Logik, Fidelma, besonders wenn es um persönliche Dinge geht. Versuche deine Intuition weiterzuentwickeln, denn manchmal ist die Logik wie ein Dolch ohne Griff. Sie kann einem ins eigene Fleisch schneiden.«
    Tief in ihrem Inneren wußte sie, daß sie am liebsten schreien würde, wie jede andere Mutter auch, der man das Baby entrissen hat. Es war ihr Verstand, der sie davon abhielt, und nicht mangelnde Gefühle zu ihrem Kind. Warum sollte sie in dieser Situation auch den Emotionen freien Lauf lassen? Dadurch wäre sie der Klärung des Falls keinen Schritt näher. Später bliebe noch genügend Zeit für Gefühle.
    Eine Zeile von Euripides fiel ihr ein: »Der Verstand kann sogar die Angst herausfordern und besiegen.«
    Auf einmal entspannte sich ihr Gesicht, und sie seufzte innerlich.
    Ja, später war noch genügend Zeit für Gefühle.
    Colgú war zu den Toren der Burg gekommen, als sie den Hang zur Burganlage von Cashel hinaufritten. Finguine, sein Tanist, befand sich an seiner Seite. Auch einem ungeübten Beobachter wäre aufgefallen, daß sie wichtige Neuigkeiten mitzuteilen hatten. Fidelmas Herz schlug schneller.
    »Du kommst gerade rechtzeitig, Schwester«, rief Colgú, als sie ihr Pferd zum Stehen brachte.
    »Rechtzeitig? Wofür? Was gibt es?« fragte Fidelma und saß rasch ab, wobei sie ihren Bruder besorgt anblickte. »Gibt es Neuigkeiten? Von Alchú?«
    »Jawohl«, erwiderte Colgú sofort und legte beruhigend eine Hand auf den Arm seiner Schwester. »Alchú ist am Leben. Soeben erhielten wir ein Erpresserschreiben.«
    Fidelma hörte, wie Capa hinter ihr rief: »Hätten wir besser hier gewartet, als uns vergeblich da draußen abzumühen.« Sie drehte sich nicht um, sondern schaute ihren Bruder ängstlich an und versuchte zu ergründen, welche Bedeutung diese neue Nachricht hatte.
    »Ein Erpresserschreiben? Wo ist es?«
    »In meinen Gemächern.« Er winkte den Dienern zu, den Ankömmlingen die Pferde abzunehmen. Dann ging er mit Fidelma in das Hauptgebäude der Burg. Eadulf und Finguine folgten ihnen. Auch Capa, der zuvor Caol und Gormán zu den Ställen geschickt hatte, schloß sich ihnen an.
    »Also ist es doch eine Entführung, oder?« fragte Capa.
    »Sieht ganz danach aus«, erwiderte Finguine, der sich kurz umdrehte.
    »Was ist das für eine Botschaft? Wie ist sie überbracht worden? Was genau wird gefordert?« Die Fragen stürzten nur so aus Fidelmas Mund.
    »Du wirst die Nachricht noch früh genug sehen«, sagte Colgú leise. »Man fand sie an der Tür des hiesigen Gasthofes mit der Anweisung, sie zu mir zur Burg zu bringen. Die Forderungen darin sind ganz simpel. Wie du weißt, haben wir in der Schlacht von Cnoc Áine mehrere Krieger der Uí Fidgente gefangengenommen. Darunter befanden sich drei bedeutende Stammesfürsten, Cousins des ehemaligen Kleinkönigs Eoganán. Sie sind seitdem unsere Geiseln, so konnten wir bisher ihr Volk zwingen, sich friedlich zu verhalten.«
    Fidelma runzelte ungeduldig die Stirn. »Und? Was hat das mit Alchú zu tun?«
    »Man verlangt ihre Freilassung«, erwiderte Colgú. »Sobald sie freigelassen sind, wird Alchú wohlbehalten zu uns zurückkehren.«
    Ein kurzes Schweigen folgte.
    »Also ist es wieder eine neue Intrige der Uí Fidgente«, stellte Capa darauf geradezu triumphierend fest.
    »Das scheint so zu sein«, erwiderte Finguine.
    Colgú führte sie in seine Privatgemächer. Auf dem Tisch lag ein Stück Birkenrinde. Fidelma nahm es in die Hand und besah es sich genau.
    »Birkenrinde. Die andere Botschaft, die Forindain zur Burg brachte, war auch auf Birkenrinde geschrieben worden«, flüsterte sie Eadulf zu.
    Colgú wollte gerade etwas fragen, schwieg aber lieber. Seine Schwester würde alles zum richtigen Zeitpunkt erklären.
    Es war weithin üblich, auf Birkenrinde zu schreiben. Vor langer Zeit hatte man herausgefunden, daß man die weiße Oberschicht der Birkenrinde in dünneren Schichten abziehen konnte und sie, nachdem man sie gepreßt und getrocknet hatte, beschreiben konnte. Fidelma besah sich das Stück Rinde noch einmal genau.
    »Es sieht nicht so aus, als sei die Nachricht von einer im Schreiben geübten Hand verfaßt worden. Die Buchstaben wirken kindlich, so als hätte jemand ihm nicht vertraute Zeichen nachgemalt.«
    Capa lachte zynisch. »Wer behauptet denn, daß die Uí Fidgente gebildet sind?«
    Fidelma überging seine Bemerkung. Eadulf wies darauf hin, daß die Schrift womöglich

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