Der Tod soll auf euch kommen
zwischen ihnen geblieben. Fidelma hatte Eadulf nicht verraten wollen, wer in Cashel Kleider trug, wie sie Forindain beschrieben hatte. Doch sie wußte es, und das beunruhigte sie sehr, denn bisher hatte sie diese Person für ihre Freundin gehalten. Im Moment konnte sie sich niemandem anvertrauen, am wenigsten Eadulf. Deshalb hatte sie ziemliche Gewissensbisse wegen ihres Streits in Imleach. Verstohlen blickte sie ihren Gefährten hin und wieder an. Eadulf schien in Gedanken versunken zu sein. Abgesehen davon, daß Fidelma Forindains Beschreibung der Frau am Gasthaus überrascht hatte, steckte ihr der Schreck über die Auseinandersetzung mit Eadulf noch in den Knochen. Vielleicht hatte sie sich geirrt, wenn sie angenommen hatte, daß ihn nicht aus der Ruhe bringen könnte. Schon seit langem war ihr klar, daß sie zu sehr daran gewöhnt war, ihren Kopf und ihre Autorität durchzusetzen. Nicht nur wegen ihrer privilegierten Herkunft, sondern wegen ihrer hart erkämpften Position als
dálaigh
. Am meisten hatte sie an Eadulf geschätzt, daß er mit ihren Fehlern zurechtkam. Bisher hatte er ihre manchmal harsche Art und ihre Gefühlsausbrüche einfach hingenommen. Warum war das jetzt nicht mehr so? Das beschäftigte sie derart, daß sie darüber beinahe die Sorge um ihr verschwundenes Kind vergessen hätte.
Plötzlich begriff sie, daß sie in Zukunft ihre Entscheidungen viel rigoroser hinterfragen mußte.
Sie selbst hatte sich nie als Nonne gesehen. Ihre ganze Leidenschaft hatte immer dem Recht gegolten. Ein entfernter Cousin von ihr, Abt Laisran von Durrow, hatte sie überredet, in das Doppelhaus von St. Brigid in Kildare einzutreten, da im Prinzip sämtliche Angehörige gehobener Berufe und alle Gelehrten Nonnen und Mönche waren, so wie vor einigen Generationen ihre Vorfahren den Druidenorden angehört hatten. Aber schon bald hatte sie gemerkt, daß das Klosterleben nichts für sie war. Als sich schließlich die Äbtissin von Kildare über das Gesetz hinweggesetzt hatte, hatte Fidelma das Ordenshaus verlassen und war nach Cashel zurückgekehrt.
Sie war in erster Linie eine
dálaigh
und eine Prinzessin der Eóghanacht und dann erst eine Nonne. Ihre Rolle als Ehefrau und Mutter hätte sie beinahe vergessen, wie sie erschrocken feststellte. Mit ihren Kenntnissen der Heiligen Schrift, der Theologie und der Philosophie konnten viele andere, die sich für den neuen Glauben einsetzten, nicht mithalten. Sie beherrschte Latein und Griechisch fast so gut wie ihre Muttersprache. In der Sprache der Britannier konnte sie sich fließend verständigen. Auch im Sächsischen verfügte sie vor allem dank Eadulf über Grundkenntnisse. Doch ihre ganze Hingabe galt dem Recht. Wenn sie sich hätte entscheiden sollen, sie hätte sich immer für das Recht entschieden.
Doch wie verhielt es sich mit ihrer Aufgabe als Ehefrau und Mutter?
Eadulf war nicht ihre erste Liebe gewesen. Auf ihrer Reise nach Iberien – sie wollte zum Grab des heiligen Jakob pilgern – war sie ihrer ersten Liebe Cian wiederbegegnet. Das Ziel ihrer Pilgerreise hatte sie zwar nicht erreicht, aber sie hatte festgestellt, daß sie ihre Gefühle zu Eadulf nicht einfach abtun konnte. Was ihr Leben als Nonne betraf, so wußte sie nach dieser Reise, daß sie sich, in einem Kloster lebend, nicht weiter für Recht und Gesetz würde engagieren können.
Jetzt mußte sie sich über ihre Rolle als Ehefrau klar werden, auch wenn sie nur eine
ben charrthach
war. Und sie war eine Mutter. Eine Mutter! Auf einmal begriff sie, wie egoistisch sie war. Sie wußte, daß sie zu Alchú keine tiefe Bindung entwickelt hatte. Die Geburt war sehr schmerzhaft gewesen, und sie hatte ihr Baby zunehmend abgelehnt, weil es sie an die Burg ihres Bruders fesselte und von ihrem Beruf fernhielt. Eadulf ahnte vermutlich, daß sie ihr gemeinsames Kind ablehnte. Das machte sie noch wütender auf ihn.
Eadulf hatte versucht, ihr irgendeinen ungenießbaren Johanniskraut-Trank einzuflößen. Fidelma war nicht dumm. Sie wußte, daß die Ärzte von Éireann Frauen, die nach einer Geburt niedergeschlagen und mutlos waren, Johanniskraut verabreichten.
Nun war ihr Kind entführt worden oder gar schlimmer noch. Und seine Amme war tot. Sie versuchte, ihre Gedanken und Ängste logisch zu analysieren. Andere Frauen mochten sich in dieser Situation die Haare raufen und von Gram gebeugt sein. Fidelma hingegen blieb ruhig und dachte logisch wie immer. Das war ihr besonderes Talent, oder war es gar ein Fluch? Was
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