Der Tod soll auf euch kommen
er nach wie vor die Straßen der großen Halbinsel nördlich von uns, wo das Land der Corco Duibhne liegt. Die Halbinsel erstreckt sich fast fünfzig Kilometer in die wilde, offene See hinaus. Sie ist gebirgig und öde, und die Wege dort sind so schmal, daß Uaman sie leicht absperren und von den Reisenden Wegzoll verlangen kann.«
»Der Stammesfürst der Corco Duibhne wird ihm doch sicher den Kampf angesagt haben? Wenn er nur noch sechs Männer hat, könnte man ihn mit Leichtigkeit überwältigen.«
»Das ist nicht so einfach, mein Freund. Uaman hält sich in einer uneinnehmbaren Festung auf. In einer steinernen Burg, deren Mauern sich kreisförmig um einen Turm erheben und sich um die gesamte kleine Insel ziehen, daß selbst große Armeen sie nicht einnehmen können.«
»Erzähl mir mehr von diesem Ort.«
»Von Uamans Turm?«
»Wo befindet er sich?«
»Nicht weit von hier, sächsischer Bruder. Du nimmst von unserer Abtei aus den Weg nach Norden, reitest um die große vor dir liegende Bucht herum und passierst dabei zu deiner Rechten die Gebirgskette. Der gerade und schmale Weg führt dich dann weiter nach Westen. Bei Flut ist die Insel vom Festland abgeschnitten, aber bei Ebbe bildet sie fast eine Halbinsel, denn die Sanddünen erstrecken sich bis zu dem Grashügel, auf dem sich Uamans Turm erhebt.« Der Verwalter griff Eadulf unerwartet am Ärmel und zog ihn mit sich fort. »Komm mit zu unserem Aussichtsturm, sächsischer Bruder. Dann kannst du vielleicht in der Ferne den Turm sehen.«
»Ist er so nah?« fragte Eadulf überrascht und ein wenig erleichtert.
»Möglicherweise kann man ihn auf der anderen Seite der Bucht erkennen«, erwiderte der Verwalter, »doch der Ritt um die ganze Bucht herum dauert ziemlich lange.«
Tatsächlich konnte Eadulf von der Spitze des Abteiturms jenseits des grauen Wassers der Bucht einen schwarzen Turm in der Ferne ausmachen. Er hob sich kaum von der dunklen Gebirgswand dahinter ab. Von hier sah es so aus, als befände sich der Turm auf dem Festland an der Nordseite der Bucht.
»So uneinnehmbar sieht der doch gar nicht aus«, stellte er fest.
»Täusch dich da mal nicht, sächsischer Bruder«, erwiderte der Verwalter. »Der Streifen Sand, der die Insel mit dem Festland verbindet, ist scheinbar fest und sicher, wenn Ebbe ist, doch dort gibt es
beo-gainneamh,
auf die man höllisch aufpassen muß. Darin kann eine ganze Armee verschwinden.«
Eadulf verstand nicht gleich und fragte nach. »Meinst du Schilfgras?«
Der Verwalter schüttelte den Kopf.
»Gainneamh«
, wiederholte er.
»Ah, Sand meinst du«, berichtigte sich Eadulf. »Aber
beogainneamh
? Bedeutet das lebendiger Sand?«
Der Verwalter nickte. Eadulf begriff erst nach ein paar Augenblicken, daß es sich um Treibsand handeln mußte. Er erschauerte.
»Auch wenn Ebbe ist, ist es gefährlich, sich dem Turm zu nähern. Es ist eine naturgeschaffene Festung. Und wenn dann die Flut einsetzt, kommt sie so rasch, daß der schmale Sandstreifen, der Insel und Festland verbindet, sofort von Wasser bedeckt wird. Der Stammesfürst der Corco Duibhne hat einmal versucht, den Turm anzugreifen, dabei hat er ein Dutzend Männer verloren.«
»Nun, ich möchte Uaman ja auch nicht angreifen, ich möchte ihn nur treffen und zur Rückgabe meines Kindes bewegen.«
Der Verwalter zog die Augenbrauen hoch.
»Von Uaman verlangt man nichts. Man geht ihm aus dem Weg. Du sagst, daß du ihn um die Rückgabe deines Kindes bitten willst? In diesem Fall sollte Colgú besser eine starke Armee ausrüsten – nur so wird Uaman etwas zurückgeben, was ihm nicht gehört.«
»Danke, daß du mich warnen willst, Bruder. Aber vielleicht weiß er gar nicht, wessen Kind er da festhält? Manchmal kann ein einzelner, der die Sprache der Vernunft spricht, mehr erreichen als eine ganze Armee.«
»Ich werde für dich beten, sächsischer Bruder, so wie ich für die anderen Glaubensbrüder vor dir gebetet habe.«
»Die anderen Glaubensbrüder? Wen meinst du damit?« fragte Eadulf erstaunt.
»Vor ungefähr einer Woche kehrte ein Bruder aus Ulaidh mit einem fremden Mönch aus einem fernen Land bei uns ein. Ich glaube, er war Grieche. Sie erkundigten sich wie du nach Uaman. Ich erklärte ihnen, wo sie ihn finden könnten. Dann brachen sie auf. Sie versprachen, in ein paar Tagen zurück zu sein. Bisher sind sie noch nicht wieder aufgetaucht.«
Eadulf rieb sich die Schläfe. »Ich habe unterwegs von diesen beiden Mönchen gehört. Was mag sie wohl zu Uaman
Weitere Kostenlose Bücher