Der Tod soll auf euch kommen
Pferd und schritt langsam auf die Tore der Abtei zu.
Es dauerte nicht lange, bis er die Räume des
rechtaire,
des Verwalters der Abtei, betreten durfte. Der Verwalter war ein freundlicher Mann, der sich sehr hilfsbereit zeigte, als er von Eadulfs Rang und Einfluß erfuhr.
»Wir sind der Gerichtsbarkeit von Imleach sehr ergeben, Bruder. Bischof Ségdae, der das
pallium
des heiligen Ailbe, dem Patron von Muman, verwahrt, ist unsere oberste Instanz. Wie kann ich dir helfen?«
»Cashel ist von einem großen Unglück heimgesucht worden«, fing Eadulf an. Doch zu seiner Überraschung nickte der Verwalter.
»Nachrichten verbreiten sich schnell, und schlechte Nachrichten schneller als eine Seuche. Wir wissen, daß Lady Fidelmas Kind – dein Kind«, fügte er rasch hinzu, »seit einer Woche verschwunden ist.«
»Haben euch der Kräutersammler und seine Frau davon berichtet?« fragte Eadulf nachdenklich.
»Nein, wir haben es von einem Boten aus Cnoc Loinge erfahren. Meinst du übrigens den umherziehenden Kräuterkundigen, der draußen vor der Abtei mit seiner Frau lagert? Sie leben ziemlich zurückgezogen, obwohl mich der Mann kürzlich fragte, ob ein Baby in den Schutz dieser Abteigelangt ist. Ich sagte ihm, daß hier kein Kind abgegeben wurde.«
»Hat er sonst noch etwas erwähnt?« erkundigte sich Eadulf.
Der Verwalter dachte nach.
»Hast du den Verdacht, daß diese Leute das Kind entführt haben?« fragte er. »Nun, ich …«
Eadulf schüttelte den Kopf. »Mein Kind ist mit ihnen in diesen Landesteil geraten, Bruder«, erklärte er, »doch ich glaube, es war rein zufällig. Wahrscheinlich wußten sie nicht, wessen Kind sie da mit sich führten.«
»Sie haben jedenfalls ihre Absichten für sich behalten, ganz gleich wie sie gewesen sein mögen«, sagte der Verwalter.
»Der Kräutersammler hat sich hier in der Abtei nicht nach einem Herrn aus der Gegend erkundigt, nach einem, der sich ›Herr der Bergpässe‹ nennt und körperlich behindert ist?«
Die Reaktion des Verwalters war überraschend. Er rutschte auf seinem Stuhl nach hinten und bekreuzigte sich.
»Offensichtlich ist dir diese Person bekannt«, meinte Eadulf kurz.
Der Verwalter mußte schlucken.
»Es gibt nur einen, auf den diese Beschreibung paßt. Uaman, der Leprakranke. Uaman, Sohn von Eoganán. Eoganán war Prinz der Uí Fidgente und fiel vor ein paar Jahren in der Schlacht von Cnoc Áine.«
Eadulf stöhnte laut auf.
KAPITEL 13
Was sich Quell vom Eichenwald nannte, war ein hübsches kleines Tal, das Fidelma schon seit ihrer Kindheit kannte. Hier hatte sie immer mit ihrer besten Freundin Liadin gespielt, die später ihre Seelenfreundin wurde. Fidelma durchfuhr ein quälender Schmerz, als sie wieder daran dachte. Hätte doch Liadin nie versucht, sie in ihren mörderischen Plan gegen ihren Mann und ihr Kind hineinzuziehen. Fidelma konnte ihrer Freundin diesen Verrat nicht verzeihen.
Vor einigen Jahrhunderten war es in den fünf Königreichen üblich, daß ein Übeltäter, der seine Untaten nicht bereute und sich weigerte, zum Wohl des Clans zu arbeiten, um seine Ehre wiederherzustellen und den geforderten Sühnepreis an seine Opfer zu erwirtschaften, von den Brehons in ein Boot mit Nahrung für einen Tag gesetzt wurde; dann überließ man ihn dem Wind und den Wellen.
Die alten Geschichtenerzähler berichteten, daß MacCuill ein solcher Mann war, ein unbelehrbarer Dieb und Mörder, der im Land von Ulaidh sein Unwesen trieb. Die Brehons hatten ihn auf dem Meer ausgesetzt. Doch Wind und Gezeiten spülten ihn an eine Insel, die dem alten Gott der Meere Mannánan Mac Lir heilig war. MacCuill überlebte und sah die Schändlichkeit seines Lebens ein. Er bekehrte sich zum neuen Glauben und wurde schließlich Bischof auf der Insel. Das Volk dort nannte ihn von da an »heilig« und bat ihn um seinen Beistand im Alltag. In Fidelmas Augen bewies diese Geschichte vor allem, daß es selbst für jene, die man für die schlimmsten Verbrecher hielt, Hoffnung auf Besserung und Eingliederung in die Gemeinschaft gab.
Sie schaute sich im Tal um.
Es war ein wirklich idyllisches Fleckchen Erde. Ein dichter Eichenwald erstreckte sich vor ihr, aus dessen Mitte ein schmaler Bach auf eine Lichtung sprudelte. Am Rand dieser Lichtung stand die hölzerne Jagdhütte samt Nebengebäuden. Sie waren vor langer Zeit für die Könige von Muman errichtet worden. In den Wäldern hier gab es Hirsche, Wildschweine und anderes Wild, und im Bach schwammen sowohl Forellen als auch
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