Der Tod soll auf euch kommen
sein wie für mich.«
Eadulf zögerte einen Augenblick, er wollte die Ängste nicht zulassen, die erneut in ihm aufstiegen. Dann trat er zwischen den schweren Eichentüren hindurch, die sofort wiederhinter ihm zufielen, und blickte sich um. Das Tor schien sich wie von selbst zu schließen; in den dicken Mauern mußte sich ein besonderer Schließmechanismus befinden.
Uaman lachte schrill, als er bemerkte, wie nervös sein Gast war.
»Außerhalb dieser Mauern gibt es viele, die mir nicht wohlgesonnen sind, mein Freund. Du trägst die Tonsur Roms und nicht die der fünf Königreiche. Wie heißt du?«
»Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham.«
Stille trat ein. Eadulf wurde klar, daß sein Name der gebeugten Gestalt etwas sagte. Ein langer, zischender Laut drang zwischen den Falten der Kapuze hervor. Eadulf hatte das Gefühl, daß kalte starre Augen auf ihn gerichtet waren.
»Eadulf!« Die Stimme klang plötzlich weich und geradezu bedrohlich. »Natürlich. Eadulf von Seaxmund’s Ham. Du bist der Ehemann einer Eóghanacht von Cashel.«
»Ich bin mit friedlichen Absichten gekommen«, beeilte sich Eadulf zu erklären. »Ich bin nicht an deinen Streitigkeiten mit Colgú von Cashel interessiert.«
»Wenn du mit friedlichen Absichten gekommen bist, Bruder Eadulf, so wirst du auch friedlich empfangen. Doch scheinst du zu wissen, daß ich zu den Uí Fidgente gehöre. Was willst du von mir?«
»Ich bin nach Westen aufgebrochen, weil ich jemanden suche, und du hast unwissentlich damit zu tun.«
Wieder lachte der Mann. »Unwissentlich damit zu tun?« sagte er, als fände er das besonders amüsant. »Das ist hübsch formuliert. Nun, Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham, komm mit in meine Räume, und wir werden uns darüber unterhalten.«
Eadulf wollte sich der Gestalt nähern, doch da holte dieweiße Skeletthand plötzlich eine Glocke aus den Falten des Umhangs hervor und läutete warnend.
» Salach! Salach!
Unrein!« fistelte er. Eadulf blieb sofort stehen. »Ein wenig Abstand bitte, sächsischer Bruder.« Jetzt hatte Uaman seine Stimme wieder besser im Griff. »Ich leide an jener Krankheit, die das Fleisch zerfrißt und faulen läßt.«
»Die Lepra?« fragte Eadulf erschrocken. Bis zu diesem Augenblick hatte Eadulf nicht geahnt, wie fortgeschritten Uamans Leiden war.
Die gebeugte Gestalt stieß ein schauderhaftes Lachen aus. Dann humpelte sie voran. Eadulf fiel auf, daß Uaman einen Fuß nachzog, als sei er steif. Er trat durch eine kleine Tür in der Mauer und stieg eine Treppe hinauf, die zu einem Wehrgang auf der Höhe der vielen Fenster führte. Mehrere dunkelgekleidete Krieger standen hier im Schatten der Fenster und hielten offensichtlich Wache. Er blickte in häßliche vernarbte Gesichter, ein Einäugiger war auch darunter.
Der Aussätzige führte ihn selbstsicher den Wehrgang entlang.
»Mach dir nicht die Mühe zu zählen, wie viele Fenster es sind. Es sind siebenundzwanzig, so vermag ich gut die Sterne zu betrachten, die einem viel Wissen und Macht verleihen können.«
Eadulf runzelte die Stirn. Uaman bezog sich auf eine alte heidnische Lehre, doch er wußte nicht genau, was das zu bedeuten hatte.
»Bist du kein Christ?« wollte er wissen.
Der Herr der Bergpässe lachte auf. »Gibt es denn nur einen wahren Glauben, mein Freund? Nur einen einzigen Glauben anzuerkennen heißt, keinen anderen gelten zu lassen.«
»Der Glaube ist die Wahrheit«, erwiderte Eadulf.
»Ach, wenn die Wirklichkeit und die Hoffnung tot sind, wird der Glaube geboren. Wenn du an alle Dinge glaubst, sächsischer Bruder, wirst du nicht enttäuscht werden.«
Uaman blieb vor einer Tür stehen und öffnete sie. Er winkte Eadulf zu sich in einen Gang, der ins Innere führte. Sie kamen in einen gutausgestatteten Raum, dessen Wände mit poliertem rotem Eibenholz getäfelt und mit Wandbehängen in herrlichen Farben geschmückt waren. Der Aussätzige deutete auf eine Sitzbank.
»Nimm Platz, sächsischer Bruder, und erkläre mir den Grund für deinen Besuch. Von welcher Suche hast du gesprochen?«
Uaman setzte sich ihm gegenüber an den offenen Kamin, in dem Holz glühte. Die Kapuze hatte er aufbehalten, und Eadulf konnte seine Gesichtszüge nicht erkennen. Alles, was er sah, war das weiße Fleisch seiner klauenartigen Hand.
»Uaman, ich bin auf der Insel, weil ich mein Kind suche. Ich bin hier wegen Alchú.«
»Wie kommst du darauf, daß ich dir dabei behilflich sein könnte?«
Eadulf beugte sich vor. »Wir hatten das Baby in die Obhut
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