Der Tod soll auf euch kommen
bekannt, daß diese Frau eine Zunge aus Gold hat. Sie ist eine
dálaigh,
und wir wissen doch, daß eine gute Richterin aus schwarz weiß machen kann und umgekehrt. Halte bloß deine Zunge im Zaum, Crond.«
Crond lächelte zynisch. »Nach zwei Jahren im Gefängnis der Eóghanacht können mich die Worte dieser Frau nicht hinters Licht führen. Doch je schneller wir in unsere Heimat zurückkehren, desto besser, meine ich.«
Cuirgí nickte nachdenklich und nahm dabei Fidelma ins Visier.
»Fütter sie zu Ende und komm dann runter. Wir müssen unsere Route besprechen. Cuán kennt die Gegend nördlich von hier gut und hat eine Idee.«
»Wann brechen wir also auf? Morgen?«
Cuirgí schüttelte den Kopf. »Wenn wir noch einen Tag warten, werden sie glauben, wir seien schon zu Hause …« Da erstarb seine Stimme mit Blick auf Fidelma. »Wir werden uns unten darüber unterhalten.«
Er blieb noch einen Augenblick stehen und verschwand dann. Fidelma hörte, wie er die Treppe hinunterlief. Crond gab ihr wieder von der Suppe. Er zwinkerte ihr zu und flüsterte leise: »So, Lady, es sieht aus, als ob du noch ein wenig so ausharren mußt.«
»Meine Hände und Füße sind ganz taub, Crond«, sagte sie. »Kannst du die Fesseln nicht ein wenig lockern? Unter den gegebenen Umständen werde ich weder laufen noch reiten können, wenn es darauf ankommt. Du mußt doch einsehen, daß ich so ohnehin nicht fliehen kann, oder?«
Crond zögerte, dann wurde ihm klar, daß sie recht hatte. Er stellte die Schale ab und beugte sich über ihre Knöchel, um den Strick ein wenig zu lockern. So schnitt er nicht ins Fleisch ein und war dennoch fest. Sie spürte, wie ihr Blut unter kleinen schmerzhaften Nadelstichen wieder in die Glieder schoß. Crond drehte sich um und tat das gleiche an den Handgelenken. Sie seufzte, als ihre eingeschnürten Arme zu kribbeln anfingen. Er setzte sie wieder gegen die Kopfstütze und gab ihr den Rest Suppe. Dann durfte sie noch einmal trinken. Schließlich stand er auf.
Einen Moment lang sah er auf den gelösten Knebel, sie bemerkte seinen Blick.
»Wen sollte ich hier schon um Hilfe anrufen?« fragte sie sarkastisch.
Er zögerte und lächelte dann aber.
»Die Nacht wird lang, Lady. Schlaf gut.«
Schließlich war er fort. Sie lag eine ganze Zeit einfach so da und lauschte auf das Stimmengewirr in den unteren Räumen. Dann begann sie, an den Fesseln zu zerren. Obwohl Crond sie etwas gelockert hatte, saßen sie immer noch fest. Sosehr sie sich auch bemühte, sie würde ihre Hände nicht freibekommen.Es dauerte eine Weile, bis sie aufgab und wieder einschlief. Als nächstes bemerkte sie den grauen Lichtschein der Morgendämmerung.
KAPITEL 14
Eadulf hatte die Nacht in der Abtei verbracht und war früh zu Uamans Turm aufgebrochen. Mühelos hatte er den Weg gefunden und beschlossen, sein Pferd unter den Bäumen zurückzulassen und sich dem Turm zu Fuß zu nähern. Er hatte es ganz locker angebunden, so wie er es von Fidelma gelernt hatte. Würde das Pferd nach langem Warten unruhig werden, könnte es sich selbst befreien und davonlaufen. Er wußte jedoch, daß sein Pferd sehr geduldig war und sich erst losmachen würde, wenn es hungrig war oder Gefahr drohte.
Eadulf verbarg sich hinter den Bäumen am Ufer der Bucht und blickte über das Wasser zu der kleinen Insel hinüber. Nur das kalte wilde Meer trennte ihn noch von dem Turm. Er wollte nicht glauben, daß sich das graue Wasser jemals so zurückzog, daß es einen Weg zur Insel freigab. Mit seinen runden Mauern ragte der graue Turm dort dunkel und bedrohlich auf. Ein hoher Steinwall umgab ihn. Eadulf versuchte, die Ausmaße der Anlage zu schätzen, und meinte, daß sie einen Durchmesser von ungefähr dreißig Metern hatte. Das Ganze wirkte angsteinflößend und unheildrohend.
Eadulf versuchte sich einzureden, daß er sich das nur einbildete. Der Kräutersammler und seine Frau und auch der Verwalter der Abtei von Colmán hatten ein bestimmtes Bild vor ihm entstehen lassen. Hätte ihn der Verwalter nicht soeindringlich gewarnt, was hätte er dann getan? Er wäre bestimmt direkt zu Uamans Sitz geritten und hätte ihm sein Anliegen vorgetragen. Daß er auf unrechte Weise zu dem Baby gekommen war und der Kräutersammler es nicht als sein Eigentum hätte verkaufen dürfen. Je mehr Eadulf darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, daß der direkte Weg zu Uaman der einzig richtige war. Er sollte sich nicht länger von den Hirngespinsten anderer beeindrucken lassen.
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