Der Tod traegt Turnschuhe
mir umdrehte. »Der Patch ist drauf«, sagte er und dann, etwas lauter, in Ace' Richtung: »Der Patch ist drauf, du Sack Krötenkacke. Das lass ich mir nicht anhängen! Ganz bestimmt nicht!«
Ein wenig beduselt sah ich zu Shoe auf und fragte mich, ob die Zukunft nun wirklich anders war oder ob Ace das Ganze irgendwie wieder herumreißen würde.
Heiliges Kopfweh. Soll mein Leben von jetzt an etwa immer so aussehen?
Ace stützte den Arm auf, als wollte er aufstehen. Nakita war mit einem Satz bei ihm und stellte ihm einen Fuß auf den Rücken, sodass er stöhnend wieder zusammensackte. Ich blickte zweifelnd zu seinem Schutzengel hoch, der jetzt hell und ein bisschen neblig vor sich hin glühte.
»Keiner versucht, ihn zu töten«, summte er fröhlich und schoss an die Decke, als die Türen der Leichenhalle aufflogen und Barnabas hereinstürzte. Neben ihm schwebte Grace und ich beobachtete mit offenem Mund, wie die beiden Schutzengel zur Begrüßung auf und ab hüpften und umeinander kreiselten.
»Ist der Patch drin? Was ist passiert?«, wollte Barnabas wissen und sah Nakita an, die auf Ace' Rücken saß und ihren Nagellack begutachtete. Shoe saß schwer atmend auf dem Bürostuhl und tupfte seine Wange mit einem Taschentuch ab.
Nakita zuckte mit den Schultern. Sie wirkte fast ein bisschen enttäuscht darüber, dass wir Ace nicht einfach getötet hatten. »Madison mag's eben kompliziert.«
Mein zweiter Schuh lag am anderen Ende des Raums.
Ich ging hinüber und setzte mich auf den kalten Fliesenboden, um ihn anzuziehen. In meinen Gedanken hallte kein Hauch von einem Herzschlag wider, und nachdem ich Ace' Puls gespürt hatte, vermisste ich meinen eigenen. Noch schlimmer, ich war müde. Ich fühlte mich dünn und unwirklich, als wäre ein Teil von mir irgendwo zwischen dem, was war, und dem, was sein würde, stecken geblieben.
»Du hast wieder einen Zeitsprung gemacht«, stellte Barnabas fest. Er kam auf mich zu und blieb mit einem verdutzten Blick vor mir stehen. Ich war in den zweiten Sneaker geschlüpft und widmete mich jetzt meinen Schnürsenkeln.
»Es war schrecklich«, gab Nakita zu, während Barnabas mir zusah. »Es war, als wäre sie gar nicht mehr da gewesen.«
»Mir geht's nicht so gut«, sagte ich und meine Hände zitterten. Ich blickte auf die Totenköpfe auf den Schuhbändern und fragte mich, ob ich das wirklich aushalten würde. Tausend Jahre in den Köpfen anderer Menschen, wieder und wieder zusehen, wie sie ihr Leben ruinierten. Kein Wunder, dass Kairos einfach immer seine Todesengel losgeschickt hatte, um die Zielperson zu töten.
Eine Träne tropfte mir in den Schoß und ich band mir niedergeschlagen die Schnürsenkel zu sorgfältigen, perfekten Schleifen. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir das Schicksal geändert hatten, aber es war schwer gewesen. Unglaublich schwer.
»Ist es schiefgegangen?«, fragte Barnabas, als ich mir über die Augen wischte, und ich schüttelte den Kopf.
»Nein, ich glaube, es hat geklappt«, sagte ich und er sah nur noch verwirrter aus.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Madison?«, fragte Nakita. Barnabas streckte die Hand aus, um mir aufzuhelfen.
Ich versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Und nicht mal darin war ich besonders gut.
»Alles okay«, brachte ich schließlich heraus. Zittrig kam ich wieder auf die Beine und versuchte, mir ein ganzes Leben mit einem Job wie diesem vorzustellen. »Aber ich werde wohl einfach früher oder später verrückt werden müssen. Das ist die einzige Möglichkeit, diesen Job hier zu machen.«
Nakita erhob sich elegant von Ace' Rücken. Der Idiot machte doch tatsächlich Anstalten aufzustehen, aber wie von Geisterhand fiel plötzlich eine Schale mit irgendwelchen Leichenhalleninstrumenten von dem Regal neben ihm und schepperte auf ihn nieder. Stöhnend sackte er wieder in sich zusammen, während Grace und der andere Schutzengel irgendeine Geste vollführten, die mich entfernt an Abklatschen erinnerte. »Er lebt noch«, kicherte Ace' Schutzengel und ich fragte mich schon, ob ich vielleicht eingreifen sollte, bevor Ace doch noch durch irgendeinen »Unfall« zu Tode kam. Dann aber fiel mir Ace' Hass ein, den ich in mir gespürt hatte, und ich beschloss, mir fürs Erste keine Gedanken darüber zu machen.
»Ist das normal, dass ein Zeitsprung so anstrengend ist?«, fragte Nakita und fasste mich bei meinem anderen Ellbogen.
Auf meiner anderen Seite fühlte ich mehr, wie Barnabas mit den Schultern zuckte, als dass ich es sah.
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