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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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hast.“
    „Ach, die. Nein, wir haben uns nur unterhalten.“
    „Gut. Denn irgendwie fand ich das zwischen uns ganz gut. Die ganze Sache mit der Unschuld und so“, sagte sie.
    Ich lief rot an und sah mich nervös um, aber niemand beobachtete uns.
    „Jedenfalls“, fuhr sie fort, „dachte ich, dass wir doch beide ganz gut miteinander klarkommen und es doch vielleicht versuchen sollten.“
    „Was versuchen?“, fragte ich völlig ahnungslos.
    „Eine Beziehung, du Depp.“
    Mein erstauntes Gesicht muss sie wohl irgendwie als Bestätigung gesehen haben, denn mir fehlten die Worte. Auf jeden Fall küsste sie mich plötzlich auf den Mund.
    „Aber wenn ich mitkriege, dass du mich verarschst, dann werde ich gemein“, fügte sie hinzu. „Ich muss wieder nach unten, aber vielleicht sehen wir uns ja später noch.“ Sie klatschte mir auf den Hintern und zog lächelnd von dannen.
    Eigentlich wollte ich ihr hinterherrufen, dass ich die Sache mit der Beziehung anders sah als sie, aber sie hatte mich so damit überrumpelt, dass mein Gehirn noch im Standby-Modus hing. Ich hoffte, dass sonst niemand etwas von unserer Konversation mitbekommen hatte, damit ich später alles mit ihr klären konnte, aber irgendwer musste uns auf dem Flur gesehen haben, denn nun wurde ich jedes Mal, wenn ich nicht ganz bei der Sache war, darauf angesprochen, ob irgendwas mit Simone wäre.
    Mit Simone war auch nichts. Zunächst. Weil wir unterschiedliche Schichten hatten, kam ich nicht dazu, mit ihr zu sprechen. Ausgerechnet am Mittwoch fragte sie mich aber, ob ich nicht abends mit zu ihr kommen würde. Tags zuvor hatte mich Anja noch einmal an die Verabredung erinnert. Nach meiner Schicht ging ich also nach unten, wo Anja schon auf mich wartete. Und prompt erschien Simone am anderen Ende des Ganges. Ich war nicht im Geringsten daran interessiert, eine Szene auf dem Flur zu haben, also scheuchte ich Anja, so schnell es ging, hinaus in Richtung Parkplatz.
    „Was ist denn los? Warum die Hektik?“, fragte Anja.
    Ich erwiderte lediglich, dass ich einen harten Tag hatte und einfach nur weg wolle. Ich sah mich noch einmal um und erspähte Simone. Ich weiß nicht, was mich mehr gruselte: ihr entsetztes Gesicht, als sie uns nachschaute, oder die Silhouette von Tod, der hinter ihr stand und mit dem Kopf schüttelte.
    Wir fuhren zum Barfly, einem Musikcafé etwas südlich der Altstadt Spandau, und verbrachten den ganzen Abend mit nichts anderem als quatschen. Sie erzählte mir von Heidelberg und ihrem Job, ich erzählte ihr in wenigen Sätzen von meinem relativ langweiligen Leben.
    „Ach komm schon, irgendwas Tolles muss doch passiert sein, sonst hättest du mir mehr geschrieben“, sagte sie.
    „Leider nein“, erwiderte ich, „ich habe wirklich nur Vorlesungen besucht, gelernt und ansonsten versucht, nicht verrückt zu werden.“
    „Klingt ja nicht so toll. Ich glaube, da hatte ich es angenehmer. Finde ich trotzdem toll, dass du das mit der Medizin durchziehst. Dazu muss man wirklich geboren sein.“
    „Ja, schätze schon.“ Ich murmelte es mehr, als dass ich es sagte. Anja zog daraus ihre Schlüsse.
    „Du bist anscheinend nicht davon überzeugt, oder?“
    „Doch, mehr oder weniger.“
    „Macht es dir denn keinen Spaß?“
    „Na ja, ich glaube schon. Doch. Ab und an.“
    „Ab und an?“
    „Manchmal habe ich einfach die Schnauze voll davon, weißt du? Nur lernen, lernen, lernen, bis man glaubt, dass einem der Kopf platzt. Alle Welt ist draußen und vergnügt sich, und man selber sitzt drinnen über seinen Aufgaben. Ich spüre diesen Druck, der vermutlich über die Jahre noch schlimmer wird. Weißt du, wenn du zum Beispiel mal einen Tag keine Lust hast, dann kannst du ja einfach krankmachen. Wie ist das als Arzt? Kann ich das mit meinem Gewissen vereinbaren? Und das sind so Aussichten, die mich fast kirre machen.“
    Den Druck, den ich zusätzlich spürte, weil ich wusste, wann manche Leute sterben, erwähnte ich lieber nicht. Dasselbe galt für den Druck, der zudem noch durch Simone auf mir lastete.
    „Auch Ärzte sind mal krank. Das ist doch keine große Sache.“
    „Sicher, aber ich kann ja schlecht sagen: ‚Ach, heute habe ich nicht so die rechte Lust, also lasse ich es mal ruhiger angehen‘, weißt du. Und ich fühle das schon während des Studiums.“
    „Dafür verdienst du dann später viel.“
    „Also, ich bin mir nicht so sicher, ob ich als normaler Arzt am Krankenhaus so dolle verdiene. Und dann sind da ja auch noch die

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