Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
Arbeitszeiten.“
Anja seufzte.
Mir wurde klar, dass ich nur am Jammern war, dabei wollten wir beide uns einen lustigen Abend machen. „Tut mir leid, ich wollte dir nicht die Ohren vollsülzen.“
„Schon okay. Ich glaube, du hast das gebraucht.“
Und sie hatte recht. Ja, ich hatte das gebraucht. Es tat gut, einfach nur mal mit jemandem zu reden, der nicht meine Eltern oder irgendjemand war, der mit der Materie zu tun hatte.
„Vielleicht sollten wir dann langsam“, sagte Anja, „du musst ja morgen früh raus.“
Ich schaute auf die Uhr, und es war kurz vor zwölf. „Siehste, ich hab dich doch mit meinem Gerede genervt.“
„So’n Quatsch“, sagte sie und winkte nach der Kellnerin.
Auf der Rückfahrt zu mir sprachen wir kaum. Als wir schließlich anhielten und ich aussteigen wollte, beugte sie sich zu mir herüber und nahm mich in den Arm.
„Lass dich nicht unterkriegen, hörst du?“, brummte sie in meine Jacke. Sanft drückte sie mich an sich und ich mich an sie. Und wie von Zauberhand waren für einen Moment all meine Sorgen verflogen, obwohl sie gar nichts Besonderes tat. Es fühlte sich einfach richtig an. Und mehr denn je wusste ich, dass ich von Anja nie wieder loskommen würde. Als sie losließ, um mich gehen zu lassen, zog ich sie noch einmal zu mir heran und küsste sie unbeholfen und überhaupt nicht angemessen auf den Mund. Und in dem Moment war mir dann auch klar, dass es total dämlich von mir war.
„Ich, äh, verdammt. Entschuldige“, stammelte ich, öffnete die Tür und sprang ohne weitere Abschiedsworte aus dem Auto.
„Martin, warte!“, rief sie mir hinterher, aber ich war schon um die nächste Ecke gehüpft und schlug mir mit der flachen Hand an die Stirn. Ich atmete tief aus und lief weiter, als ich die Schritte hinter mir hörte.
Als ich mich umdrehte, stand dort Anja und lächelte, wie nur sie es konnte.
„Du hattest doch nicht wirklich vor, mich da so im Auto sitzen zu lassen, oder?“, fragte sie.
„Gerade hielt ich es noch für eine tolle Idee. Vielleicht hättest du meinen Aussetzer eben dann auch gleich wieder vergessen.“
„Sollte ich das denn?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich denke nicht“, sagte sie, trat auf mich zu und schlang ihre Arme um mich. Der Kuss hielt eine Ewigkeit an. Es hätte eigentlich nur kitschiger werden können, wenn es wie aus Kübeln geschüttet hätte. Oder Céline Dion gesungen hätte.
„Du bist ein komischer Kauz“, sagte sie, als sie ihre Lippen von meinen löste.
„Soll ich das jetzt als Kompliment verstehen?“
„Warum hast du mir nie gesagt, dass …“
„… ich verliebt in dich bin?“
Anja nickte, und ich biss mir auf die Lippe, weil ich das L-Wort benutzt hatte.
„Das wollte ich schon so lange tun, aber … du hattest immer was mit anderen Typen.“
„Das klingt ja, als hätte ich mich durch die Gegend gevögelt.“
Ich bemühte mich, das schnell klarzustellen. „Nein, um Himmels willen, aber … ich wusste nie, wie du darüber denkst. Ich hatte immer das Gefühl, nur dein Kumpel zu sein.“
„Ich hab immer gedacht, du wärst schwul.“
„Was? Wie … kommst du denn darauf?“
„Gerade weil du nie einen Versuch gemacht hast. Und dich auch ansonsten kaum für Frauen interessiert hast.“
„Also, ich … ich war doch mit Conny zusammen.“
„Ja, aber da ist doch nichts gelaufen, oder?“
„Äh … das hatte andere Gründe.“
„Und ich habe mir bei meinen Freunden immer nach einer Weile gewünscht, dass sie mehr wie du wären.“
„Ehrlich?“
„Ehrlich.“
Wir küssten uns erneut. Es fing an zu donnern. Bald würde es also doch kitschig werden.
„Du bist anders als andere Typen, die ich kenne.“
„Ja, da hast du vermutlich recht“, murmelte ich mehr mir selbst als ihr zu.
„Andere hätten mich sofort im Auto befummelt, aber du hast schon Angst, dass der Kuss zu viel war.“
„Also, das mit dem Fummeln können wir gerne nachholen.“
Sie grinste und küsste mich nochmals. „Werden wir auch. Aber jetzt gehst du erst mal ins Bett. Ich will nicht daran schuld sein, wenn du morgen bei der Visite einschläfst.“
Es dauerte noch einen Moment, bis wir uns voneinander lösten und sie schließlich davonfuhr. Und ich machte die ganze Nacht fast kein Auge zu.
Was unter anderem daran lag, dass es wie aus Kübeln schüttete.
Kapitel 34
Als ich am nächsten Morgen um 7.30 Uhr in meinen Arztkittel schlüpfte, war ich hundemüde, aber strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Den
Weitere Kostenlose Bücher