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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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nächsten 18 Monaten ein übersichtliches Gehalt von 2000 Mark brutto, was eine hundertprozentige Steigerung meiner Einkünfte bedeutete. Große Sprünge konnte ich mir damit aber nicht erlauben. Nachdem kurz darauf der Euro eingeführt wurde, wurden daraus nur rund 1000 Euro, was irgendwie noch deprimierender auf dem Konto aussah.
    Anja war bis zum Anfang des Jahres arbeitslos, fand dann aber eine Stelle, die versprach, längerfristig zu sein. Im Frühjahr machten wir unsere Verlobung offiziell mit einer kleinen Feier, bei der nur unsere Eltern und ein paar Freunde dabei waren. Der Ring, den ich ihr gab, war nicht besonders teuer, aber es machte ihr anscheinend nichts aus. Heiraten wollten wir trotzdem erst, nachdem ich endlich Assistenzarzt war, was im Grunde ein weiteres Wartejahr bedeutete. So langsam begann in mir die Erkenntnis zu dämmern, dass Anjas Eltern vielleicht doch eine Art Voraussicht, was mein Arztdasein anging, hatten.
    Während der Feier nahm mich meine Mutter beiseite und sah etwas besorgt aus.
    „Deinem Vater geht es nicht sehr gut.“
    „Wieso, was ist denn?“
    „Na ja, er hat es wieder mit dem Bauch.“
    „Ich hab ihm doch schon tausendmal gesagt, dass er zum Arzt gehen soll.“ Ich wurde sauer auf ihn.
    „Er hat Fieber“, sagte sie.
    „Und trotzdem seid ihr gekommen?“, fragte ich.
    „Na ja, wir wollten uns das nicht entgehen lassen. Aber viel schlimmer ist, dass er so gelblich im Gesicht aussieht.“
    „Ernsthaft? Ist mir nicht aufgefallen. Gut, das Licht ist auch nicht das allerbeste hier.“
    „Achte mal darauf“, meinte sie zu mir, und ich nickte.
    Tatsächlich sah mein Vater nicht gut aus, und mein Herz sackte ein ganzes Stück in meiner Brust nach unten. Ob er tatsächlich gelb im Gesicht war oder nicht, konnte ich aber nicht sagen. Ich bat ihn aber trotzdem noch einmal, zum Arzt zu gehen. Seine Reaktion war die übliche, allerdings lief er am darauffolgenden Tag derart gelb an, dass er sofort ins Krankenhaus gebracht wurde. Meine Mutter ließ mir über die Schwestern auf meiner Station eine Nachricht zukommen, aber ich konnte zunächst überhaupt nichts machen. Der Dienst ließ es nicht zu.
    Mir war klar, dass die Gelbsucht irgendwas mit seiner Leber oder seinem Gallengang zu tun haben musste. Ich hoffte, dass es nur Gallensteine wären, aber tief im Innern ahnte ich bereits, dass meine Visionen bald wahr werden würden. Meinen Vater hatten sie gleich im Krankenhaus behalten und sogar schon unter das Messer genommen, aber noch hatten weder meine Mutter noch ich konkret erfahren, was eigentlich sein Problem war. Ich schaffte es, ein paar Dienste zu tauschen, so dass ich direkt mit meinen Eltern und den Ärzten meines Vaters sprechen konnte.
    Der zuständige Arzt grüßte mich mit einem leichten Nicken, als wir uns alle im Ärztezimmer einfanden. Er war mir aus meiner ersten Famulatur beiläufig bekannt, auch wenn ich nie wirklich mit ihm zu tun hatte.
    „Also, ich will gar nicht um den heißen Brei reden, es sieht nicht gut aus.“ Mein Vater und meine Mutter blickten einander kurz an. „Die Probe hat sich als bösartig herausgestellt. Es handelt sich also um Bauchspeicheldrüsenkrebs.“
    „Bauchspeicheldrüse? Ich dachte, es wäre was an der Leber“, sprach ich dazwischen.
    „Ob die Leber eventuell auch befallen ist, bleibt noch abzuwarten. Tatsache ist, dass am Pankreas ein Tumor sitzt, der die Gallengänge abdrückt. Wir haben jetzt erst mal einen Stent gesetzt, damit die Galle abfließen kann.“ Er wandte sich an meinen Vater. „Sie sollten dann also bald weniger gelb aussehen und sich auch besser fühlen.“
    „Dann könnte ich ihn also mit auf meine Station nehmen?“, fragte ich.
    „Quatsch!“, fuhr mein Vater dazwischen.
    „Was? Warum? Wenn du auf meine Station kämst, dann könnte ich mich da um dich kümmern und dich vielleicht selbst behandeln.“
    „Ja, aber das ist einmal durch die halbe Stadt. Deine Mutter müsste dann immer da hinfahren. Das kommt nicht in Frage.“
    „Aber …“
    „Darüber will ich jetzt nicht diskutieren“, sagte mein Vater, und an seinem Gesicht konnte ich erkennen, dass das Thema für ihn erledigt war. Stattdessen wandte er sich an den Arzt: „Also was jetzt? Wird das Ding rausoperiert oder …“
    Ich wusste, was der Arzt sagen würde, bevor er es tat.
    „Nun, ich fürchte, ganz so einfach wird es nicht.“
    „Was soll das heißen?“, fragte er.
    „Nun, wir könnten versuchen, den Tumor herauszuschneiden, aber ich

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