Der Tod und der Dicke
verstehe, heißt es, dass Sie sich sehr viel stärker in Ihrer örtlichen Moschee in Marrside engagieren. Die Moschee, in der auch Ihr Freund Raza gewesen ist, richtig? Und ist nicht Scheich Ibrahim Al-Hijazi, der die, Zitat, lahmen Polizeiermittlungen, Zitat Ende, zu den Morden in Manchester so offen verurteilt hat, dort der Imam?«
»Was wollen Sie damit sagen? Dass wir in Marrside alle Terroristen sind?«
»Nein, natürlich nicht. Aber Scheich Ibrahims Ansichten sind sehr wohl bekannt, nicht wahr?«
»Aye, genau wie die des Erzbischofs von Canterbury. Und wenn jeder Kirchgänger, der mit ihm nicht einer Meinung ist, austreten würde, was bliebe dann von der Anglikanischen Kirche noch übrig?«
»Sie zählen sich also zu den Kreisen, die eine Mäßigung anstreben, Kai?«
»Nein. Ich bin einfach nur wie die meisten jungen Muslime in Marrside: ein britischer Staatsbürger, der sein Leben leben möchte unter Beachtung der Gesetze seines Landes und seiner Religion.«
»Und wenn sich die beiden widersprechen?«
»Richtig ausgelegt, widersprechen sie sich nicht.«
»Scheich Ibrahim würde Ihnen da wohl nicht zustimmen.
Übrigens, wird er auf Ihrer Hochzeit dabei sein?«
Er war ein cleverer Mistkerl, dachte sich Pascoe mit widerstrebender Bewunderung. Er benutzte Sarhadi, um die Muslime sowohl als Opfer als auch als Schurken hinzustellen.
»Warum sollte er denn nicht erscheinen?«, erwiderte Sarhadi verärgert. »Hören Sie, wenn Sie sich mit Scheich Ibrahim streiten wollen, dann hätten Sie ihn vielleicht einladen sollen.«
»Komisch, dass Sie das sagen, Kai«, sagte Fidler mit dem selbstgefälligen Grinsen des Showmoderators, der seinen Gast so weit gebracht hatte, dass er ihm das gewünschte Stichwort lieferte. »Wir haben den Scheich eingeladen. Aber nach dem angeblichen Mordanschlag Anfang dieser Woche kamen seine Leute mit Fragen zur Sicherheit auf uns zu. Natürlich gaben wir ihnen die Zusicherung, die wir allen unseren Gästen geben, aber dem Scheich reichte das anscheinend nicht – weshalb er schließlich absagte.«
Scheint diese Woche ja nicht viel Glück mit seiner Gästeliste gehabt zu haben, dachte sich Pascoe. Vermutlich hatte Fidler gehofft, Sarhadi und den Scheich in eine öffentliche Auseinandersetzung zu treiben.
»Aber vielleicht«, fuhr Fidler fort, »hat er sich auch nur Sorgen gemacht, dass er der Klischeefalle nicht entkommt. Bislang haben wir uns ja ganz wacker geschlagen, aber Sie alle haben Ihre Massenvernichtungswaffen hoffentlich einsatzbereit, nur für den Fall?«
Das Publikum lachte und schwenkte die Plastiktüten mit den bunten Pingpongbällen, die sie beim Betreten des Studios erhalten hatten.
Ellie wollte etwas sagen, aber Fidler ignorierte sie. Sparte er sie für etwas anderes auf?, ging es Pascoe nervös durch den Kopf, während Fidler sein Halogen-Lächeln erneut auf Kentmore richtete.
»Maurice, Sie hatten selbst Ihre Auseinandersetzungen mit dem Gesetz«, sagte der Moderator. »Glauben Sie, unsere Gesetze reichen aus, um extreme politische Unruhen unter Kontrolle zu halten?«
»Wir wählen Vertreter, die unsere Gesetze machen«, sagte der Landwirt nur. »Wenn sie uns nicht passen, sollten wir andere Vertreter wählen.«
»Das klingt sehr vernünftig, Maurice, angesichts dessen, was Ihrer eigenen Familie widerfahren ist«, sagte Fidler.
Er wandte sich ab und sprach mit der ernsten, mitfühlenden Miene desjenigen, der seinem leidgeplagten Nachbarn sein Beileid zum Ausdruck brachte, direkt in die Kamera. »Manche unter Ihnen werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass Maurices jüngerer Bruder, Flight Lieutenant Christopher Kentmore, zu den ersten Gefallenen gehörte, die Großbritannien bei der Invasion im Irak zu beklagen hatte.«
Kentmore wurde erst blass vor Entsetzen und dann vor Wut. Damit hatte er nicht gerechnet. Plötzlich war klar, warum er wirklich eingeladen worden war. Was bedeutete … Ellie, pass auf!, versuchte Pascoe telepathisch zu übertragen.
Fidler, der Kentmore vor sich hin kochen ließ, wandte sich bereits an sie.
»Heutzutage hat fast jeder jemanden im nahen oder fernen Bekannten- oder Verwandtenkreis, der mit der Terrorgefahr in Berührung gekommen ist. Ell, ich weiß, Sie benutzen als Autorin Ihren Mädchennamen, aber gehört nicht Ihr Ehemann, DCI Peter Pascoe, zu den Opfern des Bombenanschlags, der sich kürzlich in Mid-Yorkshire ereignet hat? Glücklicherweise wurde er nicht besonders schwer verletzt. Tatsächlich soll er sich
Weitere Kostenlose Bücher