Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)
verrotten.
„Rebekka!“ Konstantin sah erleichtert zu ihrem alten Kindermädchen. Sie würde Kolja wieder zusammenflicken.
„Darf ich?“ Mit kritischem Blick musterte sie sein Gesicht. „Es wird wehtun.“
„Das tut es schon jetzt. Fang endlich an.“
Musste sein Bruder ihr dieses entschuldigende Lächeln schenken? Er war zu weich, war es immer gewesen. Der Schmerz brannte sich tiefer in Koljas Gesicht. Er würde die Diebin finden, und dann sollte sie jede Sekunde ihres verschwendeten Lebens bereuen.
„Meine Söhne, in trautem Mitgefühl vereint.“
Kolja zuckte zusammen, als die Stimme seines Vaters den Raum durchschnitt. Wollte er sich an seinem Schmerz weiden?
„Du suchst diese Frau?“
Er nickte und Rebekka sah ihn streng an. „Halt still, Junge.“
Ramuells Lächeln war sirupsüß, als er der alten Frau den Kopf tätschelte. „Sie meint es gut, mein Sohn. Sie hat es stets gut mit dir und Konstantin gemeint.“
Die Hand der Alten zitterte an Koljas Wange. Er versuchte, einen Blick auf seinen Vater zu werfen, doch der trat hinter ihn. Plötzlich lag eine Spannung in der Luft, die durch Koljas Herz zog.
„Du solltest diese Diebin wissen lassen, was ihr blüht.“
Blut tropfte auf Koljas Arm. Es war nicht seins. Rebekka keuchte voll Entsetzen hinter ihm auf.
„Verzeih, Rebekka. Deine Dienste waren hilfreich, doch nun sind meine Söhne groß und bedürfen deiner nicht mehr.“ Ramuell hielt ihr durchschnittenes Handgelenk über einen Holzkelch.
Konstantin wich zurück, leichenblass im Gesicht. Ramuell stützte die Frau, die vor seinen Augen ausblutete. Als der Kelch voll war, ließ er sie los. Sie stürzte in sich zusammen, das restliche Blut versickerte im Teppich.
„Der Kreis ist ein Ritual höchster Wirkkraft. Ich habe ihn lange nicht mehr gezogen. Welche Freude, es mit meinen Kindern zu tun.“ Sein Plauderton stach in Koljas Magen. „Die Diebin hat Grauen verdient. Wir lassen es ihr in üppigem Maße zukommen.“ Das Lachen klang nach gesprungenem Eis. „Die Macht, die ich locke, ist willig. Sie war Zeuge dunkler Taten.“ Er drehte sich gegen den Uhrzeigersinn und seine Hände schienen den Raum um sich her nach etwas abzutasten. „Sie hat Blut geleckt und will mehr.“
Unter sein Lachen mischte sich ein anderer Ton. Fremd und heiser. Er konnte niemals aus einer menschlichen Kehle stammen.
„Hört ihr sie?“ Verzückt sah er seine Söhne an. „Alte Diener sind treue Diener. Konstantin, wir brauchen deine Hilfe. Es sind stets drei, die Gedanken schicken, um den Tod zu verkünden.“ Mit höflicher Geste bat er ihn zu sich, während Rebekka ihr letztes Röcheln ausstieß. Ramuell führte seine Söhne in die Mitte des Raumes. Konstantin zitterte am ganzen Körper.
„Vater, ich will das nicht tun.“ Sein schreckensweiter Blick wurde von Ramuell mit nachsichtigem Lächeln quittiert.
„Doch. Glaub mir.“
„Wenn Mutter das wüsste.“
Amüsiert sah Ramuell seinen jüngsten Sohn an. Dann blitzte es diabolisch in den Tiefen seines Blickes. „Sofia hat dieses Ritual vorgeschlagen, Konstantin. Deine Mutter ist eine ausgesprochen weise Frau. Überschätze ihr Mitgefühl gegenüber der schlichten Kreatur nicht. Es ist nicht existent.“
Kolja reichte Konstantin die Hand, während ihr Vater langsam den Kreis abschritt. Gleichmäßig goss er Rebekkas Blut in ein Rund, beschwor es mit rauen Lauten, die sich erst außerhalb seiner Lippen zu Worten formten. Kolja verstand sie nicht, doch sie weckten etwas in ihm, das gierig war, grausam und böse. Es streckte sich in ihm aus, wuchs mit jeder Silbe. Die dunkle Kraft sickerte durch den Boden in seine Fußsohlen, kroch empor, wand sich durch seine Venen und vergiftete sein Blut.
Der Kreis war vollendet. Ramuell kniete sich in die Mitte, vergoss den letzten Tropfen. „Ihr Name.“
Kolja schluckte die Enge in seiner Kehle weg. „Lucinde Sorokin.“
Mit dem linken Zeigefinger strich Ramuell die roten Schlieren zu einem Namenszug aus. Sorokin.
*
War das London?
Der Nebel hing dick in der schmalen Gasse. Es roch nach fauligem Gemüse und Regen. Die Gaslaternen warfen zu wenig Licht, das streifig durch die Nebelschwaden schnitt. Lucy konnte kaum etwas erkennen. Die Gasse hin unter lief eine Frau. Ihr Rock reichte bis zum Boden und ein seltsamer Hut thronte auf ihrem Kopf. Sie schwankte, musste sich hin und wieder an der Backsteinmauer abstützen. Was war das für ein seltsamer Ort? Es war Nacht, die Häuser alt, alle Fenster
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