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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Unabhängigkeitsorganisation, die in den siebziger und Anfang der achtziger Jahre rund 150 Anschläge in den USA verübte, aber dabei war es nur selten zu Todesopfern gekommen. O’Neill begriff als einer von wenigen, dass die radikalen Islamisten eine wesentlich umfassendere Vision verfolgten, die Morde in viel größeren Dimensionen beinhaltete. Er erkannte als einer der ersten die Ausmaße ihres Netzwerks und ihrer Aktivitäten in den USA. O’Neill war es auch, der entdeckte, dass der geistige Kopf hinter diesem Netzwerk ein zurückgezogen lebender saudischer Dissident im Sudan war, der davon träumte, Amerika und den Westen zu vernichten. Schon bald nach seinem Amtsantritt als Leiter der Abteilung Terrorismusbekämpfung wurde O’Neills Interesse an Bin Laden zu einer richtiggehenden Obsession, sodass seine Kollegen manchmal bereits an seiner Urteilsfähigkeit zu zweifeln begannen.
    O’Neill war durch viele Schichten von Kulturen und Glaubensüberzeugungen von Bin Laden getrennt, dennoch versuchte er, diesen neuen Feind zu verstehen. Und sie waren durchaus ebenbürtige Gegner: Beide waren ehrgeizig, fantasievoll, erbarmungslos und dazu entschlossen, den anderen und alles, was er verkörperte, zu vernichten.
     
    BIN LADEN sah Amerika nicht als ein gewöhnliches Land oder eine Supermacht. Er sah es als Vorhut des globalen Kreuzzugs der Christen und der Juden, der darauf zielte, das Wiedererstarken des Islams zu verhindern. Es ist unwahrscheinlich, dass er Samuel Huntingtons 1993 erschienenes Werk über den „Kampf der Kulturen“gelesen hat, aber er griff diesen Gedanken auf, bezog sich in späteren Interviews darauf und erklärte, er halte es für seine Pflicht, einen derartigen Zusammenstoß zu fördern. Die Geschichte entwickele sich in langen und langsamen Wellen, glaubte er, und diese Auseinandersetzung sei bereits seit der Entstehung des Islams im Gange. „Dieser Kampf spielt sich nicht zwischen al-Qaida und den USA ab“, verkündete Bin Laden später. „Es ist ein Kampf der Muslime gegen die internationalen Kreuzritter.“ 7 Anders ausgedrückt, es war ein theologischer Kampf, bei dem es um die Erlösung der Menschheit ging.
    Im August 1995 vollzog Bin Laden den entscheidenden Bruch mit seinem Heimatland. In einem „offenen Brief“, den er per Fax verschickte, griff Bin Laden König Fahd persönlich an. Es war offensichtlich eine Reaktion auf eine Umbildung des saudischen Kabinetts eine Woche zuvor, die wie auch viele andere politische Entscheidungen in Saudi-Arabien dazu dienen sollte, den Anschein von Reformen zu erwecken, während in Wirklichkeit alles beim Alten blieb. In einer langatmigen Einleitung begründete Bin Laden unter Bezug auf den Koran und die Kommentare islamischer Rechtsgelehrter, dass der König ein Abtrünniger vom Glauben sei. Der takfiristische Einfluss ist hier deutlich erkennbar, wenn auch manche seiner Argumente schwer verständlich waren und konstruiert erschienen. So führte Bin Laden beispielsweise Artikel 9 der Charta des Golf-Kooperationsrates an, der zur Beilegung von Handelskonflikten zwischen den arabischen Staaten am Persischen Golf gegründet worden war. In diesem Artikel heißt es, dass sich der Rat an die Bestimmungen seines Statuts, an internationales Recht und an die Prinzipien des islamischen Rechts halten werde. „Was für eine Verspottung der Religion Gottes!“, empörte sich Bin Laden. „Das islamische Recht wird an letzter Stelle angeführt.“
    Doch zahlreiche der Vorwürfe, die Bin Laden in seiner Schmähschrift erhob, wurden von vielen Saudis geteilt und deckten sich weitgehend mit den Forderungen, die islamische Reformer in einer wesentlich versöhnlicher gehaltenen Petition formuliert hatten und die zur Inhaftierung mehrerer kritischer Geistlicher geführt hatte. „Der Kernpunkt meiner Kritik ist nicht das, was du dir vorstellen könntest“, begann Bin Laden, „und auch nicht das, was du deinen Nachfolgern an Unrecht und an vorenthaltenen Rechten als Erbe hinterlassen wirst. Und es handelt sich weder um das, was du der Umma allgemein an Entwürdigung und Entweihung ihrer Heiligtümer zugemutet hast, noch um das, was an Gütern gestohlen und an Reichtümern geplündert wurde.“Bin Laden verwies auf die Wirtschaftskrise, die der Golfkrieg nach sich gezogen hatte, auf die „irrwitzige Inflation“, die Überfüllung der Klassenräume und die Zunahme der Arbeitslosigkeit. „Wie kannst du von den Menschen verlangen, Energie zu sparen, wenn deine

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