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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Sicherheitsrat, eine Position, die er sich kraft seiner durchsetzungsstarken Persönlichkeit selbst schuf. Die Mitglieder seines inneren Zirkels, der Counterterrorism Security Group (CSG), kamen hauptsächlich aus der CIA, dem Nationalen Sicherheitsrat und den höheren Rängen des Verteidigungs-, des Justiz- und des Außenministeriums. Sie trafen sich wöchentlich im Lageraum des Weißen Hauses.
    Das FBI war von Anfang an ein problematisches Mitglied der CSG. Seine Vertreter waren verschlossen und wenig kooperativ, behandelten alle Erkenntnisse als potenzielle Beweismittel, die nicht gefährdet werden durften, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Strafverfahren eingeleitet wurde oder nicht. O’Neill war von einem ganz anderen Schlag. Er bemühte sich um ein gutes Verhältnis zu seinen Kollegen in den anderen Diensten und umgarnte sie, anstatt sich abzuschotten. Nach Clarkes Erfahrung waren die meisten Beamten in den Strafverfolgungsbehörden des Bundes stumpfsinnig und langsam. Wenn sie in höhere Positionen aufgestiegen waren, hatten sie in der Regel ihre höchste Besoldungsstufe erreicht und zählten dann nur noch die Jahre bis zu ihrer Pensionierung. O’Neill hob sich davon deutlich ab: Er war ein charismatischer, einfallsreicher Mann, der kein Blatt vor den Mund nahm, aber auch sehr kompliziert war.
    Clarke und O’Neill fochten beide unerbittlich für ihre Sache und machten sich schnell Feinde. Aber jeder erkannte in dem anderen Qualitäten, die er sich zunutze machen konnte. Clarke hatte stets darauf geachtet, einige wichtige Verbündete zu haben, die ihn bei Veränderungen im Regierungsapparat schützen und mit Insider-Informationen versorgen konnten. Nach mehr als zwei Jahrzehnten im Staatsdienst - 1973 hatte er als Verwaltungsassistent im Pentagon angefangen - hatte er überall auf dem Capitol Hill seine Protegés. Er war brillant, aber ein Einzelgänger und lebte allein in einem blauen Schindelhaus in Arlington, Virginia, dessen Veranda von Azaleen gesäumt war und aus dessen Obergeschoss die amerikanische Fahne wehte. Er sprach in kurzen Aussagesätzen, die keine Einwände duldeten. Der ehrgeizige und ungeduldige Mann fand nur wenig Zeit für das Leben außerhalb seines Büros im zweiten Stock des Old Executive Office Building, das sich über dem Westflügel des Weißen Hauses erhebt. Nur selten nahm er jemanden als Rivalen ernst. Konkurrierende Bürokraten manövrierte er geschickt aus, dieses Spiel beherrschte er wie kaum ein zweiter.
    Im persönlichen Umgang wirkte der kluge und beeindruckende Mann aber eher etwas unbeholfen, denn er hatte die Angewohnheit, an den Menschen vorbeizusehen, wenn er mit ihnen sprach. Er hatte die Blässe eines - mittlerweile ergrauten - Rothaarigen, und das schmale, unpassende Lächeln eines Superrealisten. Er betrachtete O’Neill als einen Gleichgesinnten, als jemanden, der über die terroristische Bedrohung ebenso besorgt war wie er, und das zu einer Zeit, als in Washington noch kaum jemand diese Gefahr ernst nahm. Gemeinsam war ihnen der Groll des nichtprivilegierten Außenseiters, der sich über die engen Grenzen seiner Herkunft hinweggesetzt hat. O’Neill hatte noch immer etwas vom Geruch der Straßen New Jerseys an sich, was Clarke, Sohn einer Krankenschwester und eines Fabrikarbeiters, durchaus schätzte. Und wie Clarke durchschaute auch O’Neill das politische Ränkespiel.
    Die beiden Männer bemühten sich, eine klare Aufgabenverteilung zwischen den Geheimdienstdiensten festzulegen, die sich seit jeher eifersüchtig bekriegten. Im Jahr 1995 schlugen sich ihre Bemühungen in einer Verfügung des Präsidenten nieder, durch die dem FBI die oberste Zuständigkeit sowohl bei der Untersuchung als auch bei der Verhinderung von Terrorakten zugewiesen wurde, soweit davon Amerikaner oder amerikanische Interessen irgendwo auf der Welt betroffen waren. Nach dem Bombenanschlag von Oklahoma im April dieses Jahres bildete O’Neill eine Sonderabteilung für die Terrorbekämpfung im Landesinneren, während er zugleich die auswärtige Abteilung reorganisierte und ausbaute. Gegen Widerstände aus beiden Organisationen leitete er einen Austausch der stellvertretenden Leiter zwischen seiner Behörde und dem Counterterrorist Center der CIA in die Wege.
    Für die jüngeren Agenten, die ihm gaben, was er verlangte, nämlich unbedingte Loyalität, wurde er in gewissem Sinne zu einem Paten. Im komplexen Apparat der Bundespolizei war O’Neill ein einflussreicher Fürsprecher.

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