Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
lag die stillschweigende Annahme zugrunde, dass sich Gott auf die Seite der Juden gestellt habe. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Antisemitismus, der nun in der Region die Politik und Gesellschaft erfasste, im Islam eigentlich unbekannt. Die Juden hatten während der 1200-jährigen muslimischen Herrschaft in Sicherheit gelebt, wenngleich als Untertanen, und hatten vollständige Religionsfreiheit genossen; erst in den dreißiger Jahren begann sich aufgrund der Propaganda der Nationalsozialisten über Kurzwellensender in arabischer Sprache und der Schmähreden christlicher Missionare in Arabien die alte westliche Voreingenommenheit gegenüber den Juden zu verbreiten. Nach 1945 wurde Kairo zu einem Zufluchtsort für Nationalsozialisten, die sich dem Militär und der Regierung als Berater zur Verfügung stellten. Der Aufschwung der islamistischen Bewegung vollzog sich parallel zum Niedergang des Faschismus, doch in Ägypten überlagerten sich diese beiden Entwicklungen, und der Keim wurde in einen neuen Träger verpflanzt.
Die Gründung des Staates Israel und dessen atemberaubender Aufstieg zur militärischen Vorherrschaft in der Region erschütterte die Identität der Araber. Angesichts ihrer eigenen miserablen Lebensverhältnisse erinnerten sich die Araber beim Blick auf Israel an jene Zeit, als der Prophet Mohammed die Juden Medinas unterworfen hatte. Sie dachten an die weit ausgreifende muslimische Expansion mittels arabischer Speere und Schwerter und fühlten sich gedemütigt durch den Gegensatz zwischen ihrer glorreichen militärischen Vergangenheit und ihrer erbärmlichen Gegenwart. Die Geschichte hatte sich gewendet; die Araber waren wieder so zerstritten, unorganisiert und bedeutungslos wie zu Zeiten der Dschahilija. Sogar die Juden herrschten nun über sie. Die Stimme in den Moscheen sagte, dass die Araber genau jene Waffe aus der Hand gelegt hätten, die ihnen einst wirkliche Macht verliehen hatte: den Glauben. Man müsse die Inbrunst und die Reinheit der Religion wiederherstellen, welche die Araber groß gemacht habe, dann werde sich auch Gott wieder auf ihre Seite schlagen.
Das Hauptangriffsziel der ägyptischen Islamisten war Nassers säkulares Regime. In der Terminologie des Dschihad besaß die Vernichtung des „nahen Feindes“, das heißt der unreinen muslimischen Gemeinschaft, Vorrang. Der „ferne Feind“- der Westen - konnte warten, bis sich der Islam wieder selbst gefunden hatte. Für Sawahiri und seine Mitstreiter bedeutete dies, zumindest in Ägypten das islamische Recht einzuführen.
Sawahiri träumte von der Herrschaft der islamischen Geistlichkeit, vom Wiederaufleben des Kalifats, das formell 1924 mit der Auflösung des Osmanischen Reiches sein Ende gefunden, doch schon seit dem 13. Jahrhundert keinen wirklichen Einfluss mehr besessen hatte. Sobald das Kalifat wiedererrichtet sei, glaubte Sawahiri, werde Ägypten zum Katalysator der übrigen islamischen Welt werden und sie in einem Dschihad gegen den Westen anführen. „Dann wird die Geschichte mit Gottes Willen abermals eine Wendung nehmen“, schrieb Sawahiri später, „gegen das Imperium der Vereinigten Staaten und die jüdische Weltregierung.“ 12
NASSER starb 1970 unerwartet an einem Herzinfarkt. Um sich eine gewisse politische Legitimation zu verschaffen, versuchte sein Nachfolger Anwar al-Sadat, mit den Islamisten zu einem friedlichen Ausgleich zu kommen. Sadat bezeichnete sich als „gläubiger Präsident“und als „erster Mann des Islams“und bot den Muslimbrüdern ein Tauschgeschäft an. Wenn sie ihn gegen die Nasseristen und die Linken unterstützten, sollten sie sich frei betätigen und um Mitglieder werben dürfen, solange sie auf Gewalt verzichteten. 13 Er entließ die Islamisten aus den Gefängnissen, ohne zu erkennen, welche Gefahr sie für sein Regime darstellten, vor allem die jüngeren Muslimbrüder, die durch die Schriften Sajid Qutbs radikalisiert worden waren.
Im Oktober 1973, während des Fastenmonats Ramadan, überraschten Ägypten und Syrien Israel an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, durch gleichzeitige Angriffe über den Suezkanal auf den besetzten Sinai und auf die Golanhöhen. Obwohl die Syrer schnell zurückgeschlagen wurden und die Dritte Ägyptische Armee nur durch das Eingreifen der UNO gerettet werden konnte, betrachtete man diesen Krieg in Ägypten als einen großen, das Gesicht wahrenden Sieg, der Sadat den dringend benötigten politischen Triumph bescherte.
Dennoch
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