Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Staaten kennen gelernt hatte. „Ich dachte, so ähnlich müsste ein linker Intellektueller am City College vor dreißig Jahren ausgesehen haben.“Schleifer sah, wie Studenten Plakate für Demonstrationen malten und junge muslimische Frauen Hidschabs nähten, Kopftücher, die fromme Musliminnen tragen. Anschließend gingen Sawahiri und Schleifer über den Boulevard durch den Kairoer Zoo zur Universitätsbrücke. Als sie am breiten, träge dahinfließenden Nil standen, brüstete sich Sawahiri damit, dass die islamistische Bewegung in den beiden Elite-Fakultäten der Universität - unter den Medizinern und den Ingenieuren - am meisten Zulauf habe. „Beeindruckt Sie das nicht?“, meinte er.
Schleifer gab sich herablassend. Er erwiderte, dass diese beiden Fachbereiche in den sechziger Jahren Hochburgen der Marxistischen Jugend gewesen seien. Die islamistische Bewegung, erklärte er, sei nur die neueste Ausdrucksform der studentischen Rebellion. „Hören Sie, Ajman, ich war früher auch mal Marxist. Wenn ich Ihnen zuhöre, bekomme ich das Gefühl, dass ich wieder in der Partei bin. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich es mit einem traditionsbewussten Muslim zu tun habe.“Sawahiri hörte höflich zu, dennoch schien ihn Schleifers Kritik etwas zu irritieren.
Schleifer traf Sawahiri kurze Zeit später wieder, und zwar an Id al-Fitr, dem Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadan, dem heiligsten Tag des Jahres. An diesem Tag wurde im Garten der Faruk-Moschee in Maadi eine Gebetsveranstaltung unter freiem Himmel abgehalten. Als Schleifer dort erschien, entdeckte er Sawahiri mit einem seiner Brüder. Sie wirkten ernst und entschlossen. Sie rollten Gebetsteppiche aus Plastik aus und stellten ein Mikrofon auf. Was eigentlich eine meditative Versenkung in den Koran hätte werden sollen, geriet zu einem ungleichen Wettstreit zwischen der Gemeinde und den Sawahiri-Brüdern mit ihren Mikrofonen. „Ich bemerkte, dass sie die Salafisten-Formel verwendeten, die für die Zeit nach dem Propheten keine islamischen Traditionen anerkennt“, erinnerte sich Schleifer. „Dadurch wurde die Poesie erstickt. Es war sehr chaotisch.“
Anschließend trat er zu Sawahiri. „Ajman, das ist nicht richtig“, kritisierte Schleifer. Sawahiri hob zu einer Erklärung an, aber Schleifer schnitt ihm das Wort ab. „Ich will nicht mit Ihnen streiten. Ich bin ein Sufi, und Sie sind ein Salafist. Aber Sie rufen zur fitna auf“- ein Begriff, der für Krieg, Aufruhr und Schüren von Zwietracht in der islamischen Gemeinschaft steht, was im Koran untersagt wird -, „und wenn Sie das tun wollen, sollten Sie es in Ihrer eigenen Moschee tun.“
Sawahiri erwiderte sanft: „Sie haben ja Recht, Abdallah.“
Allmählich begannen die verstreuten Untergrundgruppen einander zu entdecken. Allein in Kairo gab es fünf oder sechs Zellen, die meisten mit kaum mehr als zehn Mitgliedern. 18 Vier davon, darunter auch Sawahiris Gruppe, die eine der größten war, schlossen sich zur Dschamaat al-Dschihad zusammen - der Dschihad-Gruppe oder al- Dschihad. 19 Ihre Ziele deckten sich zwar weitgehend mit jenen der etablierten Islamisten der Muslimbruderschaft, doch anders als diese strebten sie nicht danach, sie auf politischen Wegen zu erreichen. Sawahiri vertrat die Auffassung, dass durch solche Versuche das Ideal eines reinen islamischen Staates beschmutzt werden würde. Er verachtete die Muslimbruderschaft zunehmend wegen ihrer Kompromissbereitschaft.
Sawahiri schloss sein Medizinstudium 1974 ab und diente anschließend drei Jahre als Chirurg in der ägyptischen Armee, in einer Militärbasis in der Nähe von Kairo. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst gründete der junge Arzt eine Praxis in dem Zweifamilienhaus, in dem er zusammen mit seinen Eltern lebte. Er war jetzt Ende zwanzig, und er musste allmählich heiraten. Bis dahin hatte er noch keine Freundin gehabt. Wie in Ägypten üblich, begannen Freunde und Verwandte ihm geeignete Bräute vorzuschlagen. Sawahiri hatte wenig mit der Liebe im Sinn; er wollte eine Partnerin, die seine extremen Ansichten teilte und bereit war, die Belastungen mit zu tragen, denen er aufgrund seiner dogmatischen Haltung ausgesetzt sein würde. Zu den Frauen, die Ajman als Heiratskandidatinnen angedient wurden, gehörte auch Assa Nowair, die Tochter eines alten Freundes der Familie.
Wie die Familien Sawahiri und Assam gehörte auch die Familie Nowair zu einem angesehenen Kairoer Clan. Assa war in einem wohlhabenden Haushalt
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