Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
verfügte über ein ähnlich hohes Ansehen. Die meisten jungen Männer, die sich dem Dschihad anschlossen, hatten seiner Fatwa Folge geleistet und verehrten Assam. „Er war ein Engel, er betete die ganze Nacht, weinte und fastete“, erinnerte sich sein früherer Gehilfe Abdullah Anas, der Assams Tochter heiratete, um seinem Mentor nahe sein zu können. Für die meisten Araber, die nach Peschawar kamen, war Assam der berühmteste Mensch, dem sie jemals begegnet waren. Viele von ihnen - auch Bin Laden - hatten ihre ersten Nächte in Peschawar bei ihm verbracht und dort auf dem Fußboden geschlafen. Sie schwärmten von seiner Weisheit, seiner Großzügigkeit und seinem Mut. Er personifizierte den Edelmut der arabischen Afghanen, und er warf einen Schatten über die ganze Welt. Eine derart gefeierte Ikone auszuschalten, würde ein höchst gefährliches Unterfangen sein.
Die Ägypter waren nicht die einzigen, denen daran gelegen war, Assam vom Sockel zu stürzen. Die Saudis fürchteten, dieser charismatische Führer könnte ihre jungen Glaubenskämpfer zu Muslimbrüdern machen. Sie wünschten sich eine „unabhängige Einrichtung“- eine, die von einem Saudi geleitet wurde -, die sich um die Belange der Mudschahidin kümmern sollte und dabei die Interessen des Königreiches gebührend berücksichtigte. 41 Bin Ladens al-Qaida wurde als eine echte salafistische Alternative betrachtet, da sie von einem loyalen Sohn des saudischen Regimes geführt wurde.
Abdullah Anas, der angesehenste Vertreter der arabisch-afghanischen Glaubenskrieger, war gerade nach Peschawar zurückgekehrt, nachdem er Seite an Seite mit Ahmed Schah Massud in Nordafghanistan gekämpft hatte. Verblüfft stellte er fest, dass die arabischen Führer auf einem Treffen beschlossen hatten, seinen Schwiegervater Abdullah Assam abzusetzen. Als Anas mit ihm darüber sprach, versicherte ihm Assam, dass diese Wahl eine rein kosmetische Angelegenheit sei. „Die saudischen Behörden sind nicht erfreut darüber, dass ich die Araber in Afghanistan führe“, erklärte Assam. „Das ganze Geld, das für Waisenkinder, Witwen und Schulen zur Verfügung gestellt wird, stammt aus Saudi-Arabien. Es missfällt ihnen, dass sich die jungen saudischen Männer unter meiner Führung organisieren. Sie fürchten, sie könnten Muslimbrüder werden.“Die Saudis wollten einen Mann ihrer Wahl an der Spitze. Mit Osama Bin Laden als neuem Emir, fuhr Assam fort, würden sich die Saudis wohler fühlen. „Sie können sich entspannt zurücklehnen, denn wenn sie den Eindruck gewinnen sollten, dass Osama außer Kontrolle gerät, können sie ihn aufhalten. Aber ich bin Palästinenser. Mich können sie nicht stoppen.“ 42
Noch schwerer tat sich Assam, seinen alten Freund Scheich Tamim auf seine Seite zu ziehen. Assam hatte ihm zwar versichert, die Wahl sei nur eine Scharade, um die Zustimmung der Saudis zu erlangen, doch es war unverkennbar, dass andere Teilnehmer des Treffens andere Absichten verfolgten. Sie nutzten die Gelegenheit, um Assams Ansehen zu schaden, indem sie ihm Diebstahl, Korruption und eine schlechte Leitung des Dienstleistungsbüros vorwarfen. Scheich Tamim wandte sich aufgebracht an Bin Laden. „Sag etwas“, verlangte er von ihm. 43
„Ich bin der Emir dieses Treffens“, erwiderte Bin Laden. „Warte, bis du an der Reihe bist.“
„Wer hat dir gesagt, dass du mein Emir bist?“, zeterte Tamim. „Scheich Abdullah hat mich gedrängt, dich zu unterstützen, aber wie kannst du zulassen, dass die Leute so etwas sagen?“Tamim weigerte sich, die Wahlentscheidung mitzutragen, durch die Osama Bin Laden mit überwältigender Mehrheit zum neuen Führer der Araber bestimmt wurde.
Assam gab sich abgeklärt und scheinbar unbesorgt. „Osama hat nur begrenzte Fähigkeiten“, versicherte er seinen Anhängern. „Wie will er denn Menschen organisieren? Niemand kennt ihn! Macht euch keine Sorgen.“ 44
Doch Assam war stärker geschwächt, als ihm bewusst war. Einer von Sawahiris Männern, ein Kanadier ägyptischer Herkunft namens Abu Abdul Rahman, brachte eine Beschwerde gegen Assam vor. Abu Abdul Rahman leitete ein Gesundheits- und Ausbildungsprojekt in Afghanistan. 45 Er behauptete, Assams Leute hätten ihm das Projekt aus der Hand genommen, indem sie sich die dafür vorgesehenen Gelder aneigneten. Ferner beschuldigte er Assam, er verbreite Gerüchte, wonach Rahman versuchen würde, das Hilfsprojekt der amerikanischen Botschaft oder einer christlichen Organisation
Weitere Kostenlose Bücher