Der Todesbote
Täterprofil tappen die ermittelnden Beamten meist im Dunkeln. Sie sind hilflos auf die Aussagen von Zeugen angewiesen, die allzu oft gerne etwas gesehen haben und die Folgen ihrer vermeintlichen Beobachtungen nicht einschätzen können. So kommen Unschuldige hinter Gitter und sehen die Freiheit erst wieder, wenn der tatsächliche Täter gefasst wird.
Nicht selten leiden Serienmörder an einer paranoiden Schizophrenie. Ist ein Täter mit dieser Krankheit noch nicht auffällig geworden, wird man ihn auch nur sehr schwer finden.
Anatolij Onoprienko war auch nicht mit den modernsten Mitteln eines Täterpsychogramms zu fassen, zu oft befand er sich zwischen seinen Taten im Ausland. Er wechselte ständig seine Wohnsitze und hatte keine Freunde. Er war ein Einzelgänger, ein Globetrotter des Todes. Wo er Halt machte, mussten unschuldige Menschen, Frauen, Männer und Kinder durch die Hölle gehen.
Im Pakt mit dem Teufel löscht
Onoprienko eine ganze Familie aus
Am 12.März 1997 holt die Staatsanwaltschaft unter der Leitung von Staatsanwalt Iwan Dobyschuck erneut Anatolij Onoprienko aus dem Gefängnis von Zhitomir zum Verhör.
Diesmal verzichtet man auf die Tatrekonstruktion am Originalschauplatz. Onoprienko indes hat sich gefreut auf den neuerlichen Ausflug. Für ihn sind all diese Tatortbesichtigungen eine angenehme und gelungene Abwechslung im tristen Gefangenendasein. Verwundert stellt er jedoch bald fest, dass an diesem Tag keine längere Reise durch die Ukraine vorgesehen ist, sondern die Fahrt lediglich vor dem nahe gelegenen Gericht endet. Missmutig verlässt er den Transportwagen und besteigt die mächtigen Steintreppen zum Portal des ehrwürdigen Hauses. Er trägt Bein- und Armfesseln.
Elf Mann der Miliz begleiten ihn. Niemand will ein Risiko eingehen. Onoprienko soll keine Fluchtmöglichkeit erhalten und die Zuschauer am Straßenrand keine Möglichkeit, sich an ihm zu rächen.
»Die Sicherheit des Täters wäre zu sehr in Gefahr«, erklärt ein Beamter der Justiz.
»Nur ein paar Stunden im Leben dieses Menschen waren nötig, um ein ganzes Dorf in Angst und Schrecken zu versetzen. Ein paar Stunden, die ausreichten, um eine Familie zu zerstören und zu vernichten«, mischt sich ein weiterer Polizist in das Gespräch ein.
Mittlerweile hat die Gruppe das Büro des Staatsanwaltes und dessen Mitarbeiters erreicht. Anatolij Onoprienko betritt mit zwei Bewachern den Raum. Ohne Zögern fragt er den Staatsanwalt: »Ich dachte, Sie wollen von mir ein Geständnis meiner Tat in diesem kleinen Dorf?«
»Das ist richtig. Setzen Sie sich auf diesen Stuhl«, befiehlt er ihm. »Wir werden die Vernehmung heute in meinem Büro durchführen und nicht am Tatort.«
»Warum?«, entfährt es Onoprienko.
»Weil ich nicht das Leben meiner Mitarbeiter aufs Spiel setze. Übrigens gilt dies auch für das Ihre.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, beginnt der Staatsanwalt mit der Vernehmung zum Tathergang. Er will von ihm Details darüber wissen, was sich an jenem Tag zugetragen hat in diesem kleinen Haus in einem Dorf nahe der polnischen Grenze. Onoprienko hatte nicht nur das Ehepaar getötet, das im Haus war, sondern auch dessen Sohn. Dieser Junge wurde durch den Lärm der Schüsse, die zum Tode seiner Eltern führten, aufgeschreckt und stand plötzlich Onoprienko gegenüber.
Mit einer unbeschreiblichen Arroganz und Kaltschnäuzigkeit schildert Onoprienko nun seine Tat: »Es war schon Nacht, als ich mich in dieses kleine Dorf begab. Ich bin mit einem Anhalter mitgefahren. Als ich das Dorf von der Landstraße aus sah, bat ich den Fahrer anzuhalten. Während ich die Dorfstraße hinunterging, sah ich das kleine Anwesen. Es entsprach alles meinen Vorstellungen. Es brannte noch Licht in einem Zimmer. Doch das war mir egal. Das Haus lag so versteckt, dass ich keine Angst haben musste, die Nachbarn könnten etwas bemerken.«
Da zeigt ihm ein Mitarbeiter ein Bild eines bäuerlichen Anwesens.
»Genau, das war das Haus, das ich mir ausgesucht hatte«, sagt er. »In der Dunkelheit der Nacht schlich ich mich zu dem beleuchteten Fenster. Als ich ein junges Ehepaar beim Fernsehen beobachtete, war mir sofort klar, dass hier etwas zu holen sei.«
Onoprienko erklärt: »Das war doch klar, dass was zu holen war. Wer hat in dieser gottverlassenen Gegend schon ein Fernsehgerät und einen Videorekorder.«
Onoprienko macht eine Pause. Selbstsicher blickt er in die Runde, als wolle er sich vergewissern, dass man ihm zuhört und glaubt.
»Wollten Sie
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