Der Todesflug der Cargo 03
sich jetzt, Obasi?«
»In der Zielschützenkoje im Geschützturm. Verdammt heiß hier unten. Ich glaube nicht, dass die Männer noch lange durchhalten. Es ist schwer, festzustellen, wer noch lebt. Schätze, dass alle, die aus dem Mund bluten, tot sind.«
Unentschlossen umklammerte Fawkes den Handgriff des Mikrofons. Er wusste, dass dieses Schiff sterben würde. Aber nicht mit einer Mannschaft, die sich für ihn, den Kommandanten, opferte. Er selbst wollte untergehen. Einer der letzten Schlachtschiffkapitäne, der mit seinem Traum von Hass, Blut und Rache ins nasse Grab fuhr. Der Lautsprecher, über den Fawkes mit seinem siebzehnjähriger Offizier gesprochen hatte, war verstummt. Ein bedrückendes Schweigen erfüllte die Brücke, dann war es Fawkes, als ob ein unseliger Schleier, der über seine Gedanken gelegen hatte, zur Seite glitt. »Obasi, hören Sie mich noch?«
»Ja, Sir.«
»Ich komme runter.«
»Die Eingangsschotten zum Geschützturm sind durch die Einschläge verklemmt, Sir. Sie müssen durch das Magazin gehen und von unten reinkommen.«
»Danke, Obasi, warten Sie auf mich wo Sie jetzt sind.«
Nachdenklich nahm Fawkes seine alte Kapitänsmütze der Royal Navy ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Durch die zersplitterten Scheiben der Brücke musterte er den Fluss. Nebel hatte sich über die Böschungen am Ufer gelegt. Einen Augenblick lang erinnerte ihn die Szene an die Seen seiner Heimat. Schottland, sinnierte er. Es schien ihm tausend Jahre her, dass er Aberdeen verlassen hatte. Er setzte die Kapitänsmütze wieder auf und betätigte das Funkgerät. »Angus zwei, bitte kommen.«
»Hier Angus zwei. Hören Sie mich Angus eins?«
»Roger. Wie war der letzte Schuß?«
»Achzig Meter zu kurz.«
»Ihr Job ist zu Ende, Angus zwei. Viel Glück!«
»Kann ich brauchen. Die Soldaten sind dabei mich festzunehmen.«
Wortlos starrte Fawkes auf das Mikrofon in seinen Händen. Er spürte den Wunsch, Angus zwei zu danken. Diesem Mann, den er nie in seinem Leben gesehen und der sein Leben für ihn aufs Spiel gesetzt hatte. Auch wenn es nur für Geld gewesen war. Wer immer Angus zwei sein mochte, sinnierte Fawkes: Es würden viele Jahre vergehen, bis dieser Mann Gelegenheit hatte, das Geld abzuheben, das für ihn vom südafrikanischen Verteidigungsministerium auf ein Schweizer Nummernkonto eingezahlt worden war.
»Ein Straßenkehrer!« schnaufte Higgins. »Fawkes’ Zielanweiser war ein Straßenkehrer! Die ideale Tarnung. Mit seiner Kehrmaschine fuhr er durch die Straßen im Zielgebiet und meldete Fawkes, wie seine Einschüsse lagen. Er wird gerade vernommen.«
Der Präsident, den Higgins über die Entdeckung von Angus zwei informiert hatte, schien nicht zuzuhören. Seine Gedanken waren auf der »Iowa«. Vor seinem inneren Auge krochen schwarzgekleidete Taucher über Deck, von Deckung zu Deckung, mit Feuerstößen zwischen den Sprüngen, die sie unter dem mörderischen Beschüß der Bordwaffen zurücklegten. Das Deck mußte bereits von Leichen übersät sein.
Er fuhr aus seinen Gedanken hoch, als auf dem Projektionsschirm eine Nahaufnahme der »Iowa« ins Bild kam.
»Die Kamera im Hubschrauber funktioniert wieder«, meldete Higgins in der gleichen Sekunde. Auf dem Deck des Schlachtschiffes waren die reglosen Gestalten von zehn Tauchern zu erkennen. Drei schienen sich zu bewegen.
»Können wir irgend etwas tun, um diesen Männern zu helfen?« fragte der Präsident.
Higgins zuckte hilflos die Schultern. »Wenn wir den Beschüß vom Ufer aus eröffnen, töten wir vermutlich mehr von unseren eigenen Leuten, als wir retten.«
»Könnten wir nicht zusätzliche Kommandos mit Hubschraubern auf das Schiff bringen?«
»Dazu ist es zu eng«, antwortete Higgins. »In den letzten Sekunden der Landung sind diese Hubschrauber für Fawkes’ Leute eine einzige Zielscheibe. Es wäre der reinste Massenmord. Und es würde uns um keinen Deut weiterbringen.«
»General Higgins hat Recht«, warf Kemper ein. »Der Angriff mit den Devil-Geschossen hat uns etwas Luft verschafft. Der Geschützturm scheint angeschlagen zu sein. Ich meine, wir können es uns jetzt erlauben, den Kampftauchern noch etwas Zeit zuzubilligen. Erst muss der Landeplatz frei von jedem feindlichen Beschüß sein, bevor unser Kampfhubschrauber landen kann!«
Der Präsident sah übernächtigt aus. Es schien, als ob er innerhalb weniger Stunden um Jahre gealtert wäre. Mit einer mutlosen Geste lehnte er sich in seinem Sessel zurück und musterte
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