Der Todeskanal
Leiche – wenigstens vorläufig noch nicht.
Er hörte einen seiner Magnetstiefel auf dem Schiffsrumpf aufschlagen, während sein restlicher Körper ins Freie flog wie der Korken einer Sektflasche. Gefährlich schwankend balancierte er am Rand der Öffnung. Plötzlich hatte sich sein Körper gedreht, und er bückte auf die Öffnung hinab. Er trat einen Schritt zurück, als der Deckel sich von selbst schloß.
Ein Gefühl der Unwirklichkeit überkam ihn. Nein, das konnte nicht er selbst sein, der da auf der äußeren Fläche eines Raumschiffs stand. Nicht Randolph F. Mullen. Es gab wenige Leute, die das jemals erlebt hatten, auch wenn sie es gewohnt waren, ständig durch den Raum zu reisen.
Nur allmählich wurde ihm bewußt, daß er Schmerzen fühlte. Das plötzliche Herausschnellen aus der Öffnung, während sein einer Fuß am Schiffsrumpf klebte, hätte ihn beinahe in zwei Teile gerissen. Vorsichtig versuchte er, sich zu bewegen. Seine Bewegungen waren unregelmäßig, und es war fast unmöglich, sie zu kontrollieren. Er glaubte, daß er sich keine Knochen gebrochen hatte. Aber die Muskeln an seiner linken Seite schmerzten höllisch.
Und dann kam er wieder zu sich und entdeckte, daß die Lämpchen an seinen Handgelenken brannten. In ihrem Licht hatte er in die Schwärze des Kanals starren können. Er erstarrte bei dem nervösen Gedanken, daß die Kloros die beiden Lichtpunkte bemerkt haben könnten, die sich da draußen auf dem Schiffsrumpf bewegten. Er drückte auf die Schalter, die sich in seiner Nabelgegend befanden, und die Lämpchen verlöschten.
Mullen hätte nie gedacht, daß er den Schiffsrumpf nicht würde sehen können, wenn er daraufstand. Aber es war stockdunkel, sowohl oberhalb als auch unterhalb. Da waren die Sterne, glänzende, kleine Punkte, deren Entfernung er nicht abschätzen konnte. Sonst nichts. Unter seinen Füßen konnte er keine Sterne sehen, ja, nicht einmal seine Füße.
Er blickte wieder zu den Sternen auf. Sein Kopf dröhnte. Sie bewegten sich langsam. Aber wahrscheinlich standen sie, und das Schiff bewegte sich, aber seine Augen sahen es anders. Die Sterne bewegten sich. Sein Blick folgte ihnen, am Schiff vorbei. Neue Sterne tauchten auf, glitten an ihm vorüber. Ein schwarzer Horizont. Das Schiff war nur eine Zone, in der keine Sterne existierten.
Keine Sterne? Da war doch einer auf seinen Füßen. Fast hätte er schon danach gegriffen, aber da sah er, daß es nur das glänzende Spiegelbild im Metall war.
Die Sterne legten in einer Stunde Tausende von Meilen zurück. Auch das Schiff. Auch er. Aber er spürte nichts, nur Stille und Dunkelheit und das langsame Gleiten der Sterne. Seine Augen folgten den Sternen …
Sein behelmter Kopf schlug mit leisem, glockenähnlichem Klang auf dem Schiffsrumpf auf. In panischer Angst griff er mit seinen dicken Silikonhandschuhen um sich. Seine Magnetstiefel hafteten noch immer fest am Schiffsrumpf, aber sein Körper war zurückgebeugt, die Knie in einem rechten Winkel gebogen. Außerhalb des Schiffes gab es keine Schwerkraft. Wenn er sich zurückbeugte, so spürte er nicht, daß seine Gelenke sich bogen.
Er preßte sich gegen den Schiffsrumpf, und sein Körper schnellte hoch. Aber er blieb nicht aufrecht stehen, sondern fiel nach vorn. Jetzt versuchte er es etwas langsamer, balancierte mit beiden Händen auf dem Schiffsrumpf, bis er gleichmäßig hockte. Langsam richtete er sich auf, hielt mit ausgestreckten Armen das Gleichgewicht.
Jetzt stand er aufrecht da und blickte sich um. Wo waren die Energieröhren? Er konnte sie nicht sehen. Alles war Schwarz in Schwarz.
Rasch knipste er die Handgelenklämpchen an. Im Raum gab es keine Strahlen, nur ellipsenförmige, scharf abgegrenzte Flecken von blauem Stahl, der das Licht zurückwarf. Wenn der Schein der Lampe eine Niete traf, zeigte sich ein Schatten, und plötzlich endete die Lichtregion. Nurmehr schwarzer Raum.
Er hob die Arme. Sein Körper schwankte leicht in die entgegengesetzte Richtung. Eine Energieröhre mit ihren glatten zylindrischen Rändern sprang ihm in die Augen. Er versuchte, sich darauf zuzubewegen. Sein Fuß haftete fest am Schiffsrumpf. Er zog daran, und der Fuß rutschte hoch. Noch drei Zoll, und er war frei. Noch sechs Zoll, und er dachte, er würde davonfliegen.
Es gelang ihm, sich wieder dem Schiffsrumpf zu nähern, und die Magnetstiefel schlugen mit hartem Klirren erneut auf dem Metall auf. Die Vibration fuhr durch den Raumanzug.
Erschrocken blieb er stehen. Die
Weitere Kostenlose Bücher