Der Todeskanal
nicht.
»Ich möchte noch einen Reserve-Sauerstoffzylinder haben«, sagte Mullen tonlos.
»Okay.«
»Mit Reduzierventil.«
Stuart nickte.
»Ich weiß, was Sie denken. Wenn Sie aus dem Schiff geschleudert werden, könnten Sie den Zylinder als Reaktionsmotor benutzen.«
Sie befestigten den Reservezylinder um Mullens Mitte. Polyorketes und Leblanc hoben den kleinen Mann zu der gähnenden Öffnung des T-Kanals hoch. Die Metallwände des Kanals waren in traurigem Schwarz bemalt. Stuart glaubte, einen modrigen Geruch wahrzunehmen, aber das war nur Einbildung.
Er hielt die Männer zurück, als Mullen bereits zur Hälfte in der Öffnung verschwunden war, und klopfte auf das Sehfenster des kleinen Mannes.
»Können Sie mich hören?«
Mullen nickte.
»Haben Sie genug Luft? Gibt es sonst noch irgendwelche Schwierigkeiten?«
Mullen hob seinen gepanzerten Arm zum Zeichen, daß alles in Ordnung war.
»Benutzen Sie draußen im Raum keinesfalls das Funkgerät. Die Kloros könnten die Signale bemerken.«
Widerstrebend trat er zurück. Polyorketes’ starke Hände ließen Mullen hinabgleiten. Sie hörten die Metallsohlen auf der äußeren Ventilkappe aufschlagen, und dann schloß sich das innere Ventil mit schrecklicher Endgültigkeit. Der schräge Silikon-Dichtungsring gab ein leises saugendes Geräusch von sich.
Stuart stand am Kipphebelschalter, der das äußere Ventil regelte. Er betätigte ihn, und der Skalenzeiger, der den Luftdruck im Innern des Kanals angab, fiel auf Null. Ein kleines rotes Licht zeigte an, daß das Außenventil offen war. Dann verschwand das Licht, das Ventil war geschlossen, und der Skalenzeiger kletterte wieder auf fünfzehn.
Sie öffneten das Innenventil wieder, blickten hinein. Der T-Kanal war leer. Polyorketes fand als erster die Sprache wieder.
»Dieser kleine Teufelskerl! Er ist tatsächlich draußen. So ein Zwerg und so tapfer.«
»Wir müssen uns darauf vorbereiten, daß die Kloros auftauchen«, sagte Stuart. »Es kann sein, daß sie das Öffnen und Schließen der Ventile bemerkt haben. In diesem Fall werden sie zu uns kommen und nachsehen, was passiert ist.«
»Was sollen wir dann machen?«
»Sie werden Mullen vermissen. Wir sagen, er ist im Waschraum. Die Kloros wissen, daß es zu den seltsamen Eigenschaften der Erdenbewohner gehört, daß sie auf der Toilette mit sich allein sein wollen. Sie werden nicht in den Waschraum gehen.«
»Und wenn sie warten oder die Raumanzüge zählen?« fragte Porter.
Stuart zuckte mit den Schultern.
»Hoffen wir, daß sie das nicht tun. Und Sie, Polyorketes, machen Sie keine Dummheiten mehr, wenn die Kloros kommen.«
»Wenn der kleine Kerl da draußen ist?« grunzte Polyorketes. »Was glauben Sie denn von mir?« Er blickte Stuart ohne jede Feindseligkeit an, dann fuhr er sich mit einer heftigen Bewegung durch das krause Haar. »Sie wissen, ich habe immer über ihn gelacht. Mir ist er wie ein altes Weib vorgekommen. Jetzt schäme ich mich dafür.«
Stuart räusperte sich.
»Nun, ja … ich habe einige Dinge gesagt, die vielleicht gar nicht so spaßig waren, wie es mir schien. Nach einiger Überlegung weiß ich das jetzt. Es tut mir leid.« Mit ernstem Gesicht wandte er sich ab und ging zu seiner Couch. Er hörte die Schritte hinter sich, spürte die Berührung auf seinem Arm. Er drehte sich um. Es war Leblanc.
»Es geht mir nicht aus dem Kopf, daß Mullen für so etwas doch schon viel zu alt ist«, sagte der Junge leise.
»Sicher, er ist kein Jüngling mehr. Etwa fünfundvierzig oder fünfzig.«
»Glauben Sie nicht, Mr. Stuart, daß ich es hätte tun müssen? Ich bin der Jüngste. Und der Gedanke, daß ein alter Mann an meiner Stelle da draußen ist, gefällt mir gar nicht. Ich fühle mich ziemlich übel.«
»Ich weiß. Wenn er stirbt, wird es für uns alle schrecklich sein.«
»Aber er tat es doch freiwillig. Wir haben ihn nicht dazu aufgefordert, nicht wahr?«
»Versuchen Sie nicht, die Verantwortung von sich abzuwälzen. Dadurch werden Sie sich nicht besser fühlen. Er hatte nicht weniger Grund, das Risiko zu scheuen, als wir.« Schweigend und nachdenklich blieb Stuart auf der Couch sitzen.
Mullen spürte, wie das Hindernis unter seinen Füßen wegglitt, und die Wände sausten an ihm vorbei, viel zu schnell. Der Stoß der entweichenden Luft trug ihn mit sich, und wild schlug er mit Armen und Beinen gegen die Wände, um abzubremsen. Die Leichen konnten natürlich geradewegs aus dem Schiff geschleudert werden. Aber er war keine
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