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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dieses leer stehende Kloster
und Zeit, um das Geheimnis der Ungeheuer zu ergründen.«
»Ist es Euch gelungen?«, fragte Andrej. Er kannte die
Antwort.
»Ich habe einiges herausgefunden«, sagte Thobias traurig.
»Doch ich bin auf mehr neue Fragen als Antworten gestoßen.
Und nun läuft unsere Frist ab.
Ihr habt Vater Benedikt gehört. Es geht nicht nur um Euch
und Euren Freund, Andrej. Oder um mich.
Wenn Vater Benedikt zurückkommt, dann wird er nicht allein
sein. Sie werden nachholen, was sie vor zwei Jahren versäumt
haben, und Trentklamm auslöschen - und diesen Ort hier gleich
dazu.« Er schwieg einen Moment, während er Andrej
durchdringend und auffordernd zugleich ansah. »Es sei denn,
wir finden den Beweis, dass die Menschen hier nicht vom
Teufel besessen sind.«
Einen Beweis, der vor der Inquisition Geltung finden würde?
Andrej wusste, dass dies nahezu unmöglich werden würde.
Selbst wenn sie einen unumstößlichen Beweis für die
Behauptung hätten, dass der Teufel nicht Einzug in Trentklamm
gehalten hatte, wäre das für die Inquisition nur ein weiteres
Indiz für die Heimtücke Satans gewesen.
»Und diesen Beweis soll ich bringen?«, vermutete er. Als
Thobias nicht antwortete, fügte er kopfschüttelnd hinzu: »Wie
stellt Ihr Euch das vor?«
»Wir müssen sie finden«, sagte Thobias. »Birger und die
anderen. Wir müssen sie dingfest machen, bevor Vater Benedikt
zurückkehrt, oder ganz Trentklamm wird brennen.«
Das war keine Antwort auf seine Frage, aber die hatte Andrej
auch nicht erwartet.
»Wieso vertraut Ihr mir?«, wollte er wissen. »Ihr kennt mich
nicht. Ihr wisst nichts über mich, außer dass ich hier
eingedrungen bin und ein paar Eurer Leute erschlagen habe.
Also was sollte mich daran hindern, auf mein Pferd zu steigen
und meiner Wege zu ziehen?«
Thobias überraschte ihn ein weiteres Mal, indem er nicht
darauf verwies, dass er schließlich Abu Dun als Faustpfand
hätte. Stattdessen sah er ihn nur erneut auf diese sonderbar
durchdringende Weise an und sagte: »Nennt es Verzweiflung,
wenn Ihr so wollt, Andrej. Ich habe keine Wahl, als Euch zu
vertrauen. Und ich spüre, dass ich es kann. Ihr habt Recht: Ich
weiß nicht, was oder wer Ihr seid, aber ich glaube, Ihr seid ein
aufrechter Mann.« Ein dünnes Lächeln stahl sich für einen
Augenblick in den Ausdruck von Trauer. »Und außerdem habt
Ihr noch eine Rechnung mit Birger offen. Also … kann ich auf
Euch zählen?«
Das war verrückt, dachte Andrej. Aber zumindest in einem
Punkt erging es ihm nicht anders als Thobias: Er hatte keine
Wahl.
Das Dorf hatte sich verändert. Als er Trentklamm das erste
Mal gesehen hatte, da war ihm der Ort wie ein verschlafenes
kleines Bergdorf vorgekommen, außer-gewöhnlich durch diese
besondere Lage zwischen den Hängen, die ihn fast zu einer
natürlichen Festung machte. Jetzt wirkten die kleinen Häuser
nur noch abweisend und feindselig, jedes einzelne eine kleine
Festung, die sich wie ein sprungbereit zusammen-gekauertes
Raubtier in die Bergflanken krallte. Etwas Feindseliges, Böses
schien über dem Ort zu liegen.
    Andrej verscheuchte den Gedanken und fuhr sich müde mit
dem Handrücken über das Gesicht. Trentklamm hatte sich nicht
im Geringsten verändert. Es war sein Blick, der sich verändert
hatte.

Er spürte irgendwo eine leichte Bewegung und wich rasch in
den Schutz des Waldes zurück, obwohl es wahrscheinlich gar
nicht notwendig war. In den dunkelbraunen und schwarzen
Kleidern, die Thobias ihm gegeben hatte, musste er vor dem
Hintergrund der Bäume nahezu unsichtbar sein. Außerdem war
die Sonne gerade erst aufgegangen und stand als grellweiß
lodernde Scheibe genau über den Berggipfeln in seinem
Rücken. Wer immer zufällig in seine Richtung blickte, würde
nichts anderes sehen als weißes Licht, das grell genug war, um
ihm die Tränen in die Augen zu treiben. Auch wenn er
Trentklamm Unrecht tat und sich der Ort nicht verändert hatte
… etwas stimmte nicht mit ihm, mit seinen Menschen. Andrej
hatte das unheimliche Geschöpf nicht vergessen, dem er
beinahe zum Opfer gefallen wäre.
    Etwas von der bemitleidenswerten Kreatur war noch immer in
ihm, tief am Grunde seiner Seele, fast vergessen, wie ein
schlechter Nachgeschmack, den ein an sich gutes Essen
hinterlassen hatte. Indem er die Lebenskraft der Kreatur
aufgenommen und zu seiner eigenen gemacht hatte, war er auch
ein winziges Stück selbst zu dem Wesen geworden.
    Manchmal fragte er sich, wie viel von

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