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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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genossen. Wie konnte ich das vergessen?«
»Es war nicht seine Schuld«, sagte Andrej.
Abu Dun hörte ihm gar nicht zu, und auch Thobias starrte
eine geraume Weile aus blicklosen Augen an ihm vorbei ins
Leere. Schließlich wandte er sich mit leiser, beinahe flehender
Stimme direkt an den Nubier.
»Ich weiß, wie sehr Ihr mich hassen müsst, Abu Dun«,
begann er. »Ich verlange nicht, dass Ihr mir verzeiht oder auch
nur versteht, warum ich Euch das angetan habe.«
»Wie großzügig«, höhnte Abu Dun.
»Ich bitte nicht für mich«, fuhr Thobias fort. »Ich bin bereit,
für das zu bezahlen, was Euch angetan wurde, Abu Dun.«
»Seid Ihr sicher?«, fragte Abu Dun. Seine Augen wurden
schmal. »Die Rechnung könnte höher ausfallen, als Ihr ahnt.«
»Macht mit mir, was Ihr wollt«, sagte Thobias leise. »Ihr
könnt mich töten, wenn es das ist, was Euren Rachdurst stillt.
Es ist mir gleich. Ich bitte für die Menschen unten im Dorf.
Wenn ich mit meinem Leben für die von hundert Unschuldigen
bezahlen kann, dann soll es mir recht sein.«
»Niemand will Euren Tod«, sagte Andrej.
»Vielleicht nicht Euren Tod, Mönchlein, aber vielleicht einen
Arm, oder ein Bein. Oder beides«, grollte Abu Dun.
»Abu Dun!«, rief Andrej scharf.
»Ich bitte Euch, sucht dieses Ungeheuer«, flehte Thobias.
»Vernichtet es! Es ist der einzige Weg, die Menschen in
Trentklamm zu retten. Und noch viele andere mehr.«
Andrej schwieg. Er sah Thobias an, dann länger und
schweigend Abu Dun.
Der Nubier hielt seinem Blick lange Stand, aber schließlich
schüttelte er den Kopf.
»Ich wusste ja schon immer, dass du verrückt bist,
Hexenmeister.«
»Und?«, fragte Andrej. »Was meinst du damit?«
Abu Dun seufzte tief. »Ich gebe es ungern zu«, sagte er, »aber
ich muss wohl ebenfalls verrückt geworden sein.«
Die Schnelligkeit, mit der sich Abu Dun erholte, war
geradezu unheimlich. Sie hatten die Gräber wieder geschlossen,
so weit es ihnen möglich gewesen war, Anschließend war
Thobias verschwunden, um mit zwei gesattelten Pferden
zurückzukommen. Zusätzlich hatte er saubere Kleider,
Lebensmittel für mehrere Tage und zwei warme
Kapuzenmäntel aus grober brauner Wolle mitgebracht.
»Die werdet Ihr brauchen«, erklärte er, als Abu Dun die Stirn
runzelte.
»Oben in den Bergen ist es kalt. Der Schnee schmilzt dort
nie.«
»Woher habt Ihr diese Kleider?«, fragte Andrej misstrauisch.
Die Zeit, die Thobias fort gewesen war, hätte vielleicht
ausgereicht, nach Trentklamm und zurück zu gehen und die
Pferde zu holen, aber kaum, um all diese umfangreichen
Vorbereitungen zu treffen.
Statt zu antworten, holte Thobias ein in Lumpen
eingeschlagenes Bündel aus dem Gepäck hervor, das er Abu
Dun reichte. Als der Nubier es auswickelte, kam sein eigener
Krummsäbel zum Vorschein.
»Was hattet Ihr eigentlich vor?«, fragte Andrej. Er schwankte
zwischen Überraschung und Wut. »Uns umzubringen, oder
Euch wieder unserer Dienste zu versichern?«
Das Letzte, womit er gerechnet hatte, war eine Antwort, aber
er bekam sie.
Thobias zuckte mit den Achseln und wich seinem Blick aus.
»Ich weiß es selbst nicht genau. Ich war … ich weiß nicht, was
ich wollte.«
»Woher wusstet Ihr überhaupt, dass wir hier sind?«, fragte
Abu Dun.
»So groß ist die Auswahl an Verstecken nicht«, antwortete
Thobias. »Seid froh, dass ich gekommen bin und nicht die
Soldaten des Landgrafen.« Er machte eine Kopfbewegung zu
den Pferden.
Andrej war nicht ganz sicher, aber er glaubte eines davon
wieder zu erkennen. Wenn es nicht der Rappe war, mit dem er
vor vier Tagen aus der Klosterfestung geflohen war, dann
dessen Zwillingsbruder. »Ihr solltet aufbrechen. Mein Vater
erwartet euch in der Almhütte. Ihr findet den Weg?«
Andrej tauschte einen überraschten Blick mit Abu Dun,
nickte dann aber.
»Wozu?«
»Wir warten auf Nachricht von Vater Benedikt«, antwortete
Thobias.
»Euch bleibt nur sehr wenig Zeit, um das Ungeheuer zu
stellen. Vielleicht zwei Tage.«
»Wer sagt Euch, dass wir nicht einfach auf die Pferde steigen
und unserer Wege gehen?«, fragte Abu Dun.
»Niemand«, antwortete Thobias. »Tut, was immer Ihr mit
Eurem Gewissen vereinbaren könnt.«
»Ich bin Heide, Mönchlein«, sagte Abu Dun, während er den
Mantel zurückschlug und den Krummsäbel umband. »Und ein
Mohr dazu. Ich habe kein Gewissen.«
»Wir haben vor allem keine Zeit für diesen Unsinn.« Andrej
drehte sich um und ging zu seinem Pferd. Er war jetzt sicher,
dass es der Rappe war. Ohne ein

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