Der Todschlaeger
paar Mieter ereiferten sich auf
dem Treppenflur, während Frau Boche vor der
Tür schrie: »Wollen Sie wohl aufhören! – Wir
holen gleich die Polizei, verstanden!«
Niemand wagte sich in die Stube vor, weil
man Bijard kannte, ein Vieh, wenn er besoffen
war. Er wurde übrigens nie nüchtern. An den
seltenen Tagen, an denen er arbeitete, stellte er
eine Literflasche Schnaps neben seinen
Schlosserschraubstock und trank alle halbe
Stunden aus der Flasche. Anders hielt er sich
nicht mehr aufrecht, er hätte Feuer gefangen
wie eine Fackel, wenn man ein Streichholz an
seinen Mund gehalten hätte.
»Aber man kann doch nicht zulassen, daß sie
zu Tode geprügelt wird!« sagte Gervaise, über
und über zitternd. Und sie ging hinein.
Die sehr saubere Dachstube war kahl und kalt,
ausgeräumt durch die Trunksucht des Mannes,
der die Bettücher wegnahm, um sie zu
vertrinken. Bei dem Kampf war der Tisch bis
ans Fenster gerollt, die umgerissenen beiden
Stühle waren hingefallen und streckten die
Beine in die Luft. In der Mitte lag auf dem
Fliesenfußboden blutend Frau Bijard mit noch
vom
Wasser
des
Waschhauses
durchgeweichten und an den Schenkeln
klebenden Röcken und ausgerissenen Haaren
und röchelte, schwer atmend, mit
langgezogenen Schmerzensschreien bei jedem
Fersenhieb Bijards. Erst hatte er sie mit beiden
Fäusten niedergeschlagen; nun trampelte er
auf ihr herum.
»Oh, du Miststück! – Oh, du Miststück! – Oh,
du Miststück!« knurrte er mit erstickter
Stimme und begleitete dabei jeden Tritt mit
diesem Wort, dies immer wiederholte Wort
brachte ihn ganz von Sinnen, er schlug um so
stärker zu, je mehr er sich heiser schrie.
Dann versagte ihm die Stimme, er hieb weiter
stumpf, verrückt drauflos, steif geworden in
seiner zerlumpten blauen Leinenhose und
Arbeitsjacke, das Gesicht mit der von großen
roten Flecken gesprenkelten kahlen Stirn blau
angelaufen unter dem schmutzigen Bart.
Die Nachbarn auf dem Treppenflur sagten, er
schlage sie, weil sie ihm am Morgen zwanzig
Sous verweigert habe.
Unten an der Treppe war Boches Stimme zu
hören. Er rief Frau Boche und schrie ihr zu:
»Komm runter, laß sie sich umbringen, das
ergibt etwas Pack weniger!«
Inzwischen war Vater Bru Gervaise in die
Stube gefolgt. Beide bemühten sich, den
Schlosser zur Vernunft zu bringen, ihn nach
der Tür zu drängen. Aber er drehte sich um,
stumm, Schaum auf den Lippen; und in seinen
blassen Augen flammte der Alkohol, entfachte
eine Mordflamme. Der Wäscherin wurde das
Handgelenk gequetscht; der alte Arbeiter fiel
fast auf den Tisch. Am Boden atmete Frau
Bijard noch schwerer mit weit geöffnetem
Mund, geschlossenen Lidern. Jetzt verfehlte
Bijard sie; er kam zurück, verbiß sich in seine
Wut, schlug rasend und blind daneben und traf
sich selber mit den Hieben, die er ins Leere
führte. Und während dieser ganzen Metzelei
sah Gervaise in einer Ecke der Stube die jetzt
vier Jahre alte kleine Lalie, die zusah, wie ihr
Vater ihre Mutter totschlug. Das Kind hielt,
wie um sie zu beschützen, seine Schwester
Henriette, die erst seit kurzem entwöhnt war,
in den Armen, es stand aufrecht da, den Kopf
in eine Haube aus bedrucktem Kattun
gezwängt, sehr blaß, mit ernster Miene. Es
hatte einen weiten, schwarzen Blick von
gedankenvoller Starrheit, ohne eine Träne.
Als Bijard auf einen Stuhl gestoßen und der
Länge nach auf den Fliesenfußboden gefallen
war, wo man ihn schnarchen ließ, half Vater
Bru Gervaise, Frau Bijard wieder aufzurichten.
Diese weinte nun, heftig schluchzend; und
Lalie, die näher gekommen war, sah zu, wie
sie weinte, an diese Dinge gewöhnt, bereits
schicksalergeben. Als Gervaise wieder
hinunterging, sah sie inmitten des ruhig
gewordenen Hauses diesen Blick des
vierjährigen Kindes immer noch, der ernst und
mutig war wie der Blick einer Frau.
»Herr Coupeau steht auf dem Bürgersteig
gegenüber«, rief ihr Clémence zu, sobald sie
sie erblickte. »Er sieht ganz schön voll aus!«
Coupeau überquerte gerade die Straße.
Beinahe hätte er mit einem Schulterruck eine
Scheibe eingedrückt, als er die Tür verfehlte.
Er war sternhagelbesoffen, hatte die Zähne
zusammengebissen, die Nase verkniffen. Und
sofort erkannte Gervaise den Sprit aus dem
»Totschläger« in dem vergifteten Blut wieder,
das seine Haut bleich machte. Sie wollte
lachen, ihn zu Bett bringen, wie sie es an den
Tagen zu machen pflegte, da er einen
gutmütigen
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