Der Todschlaeger
dran«, lallte Coupeau mit
belegter Stimme. »He! Mich hebt man als das
Beste bis zuletzt auf ... Na gut, ich werde euch
›Was ist das Kind für'n Schwein‹ vortragen.«
»Ja, ja, ›Was ist das Kind für'n Schwein‹!«
schrie der ganze Tisch.
Der Spektakel setzte wieder ein, Lantier war
vergessen. Die Damen rückten ihre Gläser und
Messer zurecht, um den Kehrreim zu
begleiten. Man lachte im voraus, während man
den Bauklempner anschaute, der sich mit
pöbelhafter Miene bequem auf seine Beine
zurechtstellte. Er schlug die heisere Stimme
einer alten Frau an.
»Kriech ich morgens aus der Falle,
da kotzt mich's auch schon an;
ich schick das Gör zur nächsten Halle,
ein Viertel Schnaps muß ran.
Dann bleibt's erst mal 'ne Stunde weg,
und eh's zur Türe rein,
nippelt's die Hälfte von dem Dreck:
Was ist das Kind für'n Schwein!«
Und an ihr Glas klopfend, wiederholten
inmitten ungeheurer Heiterkeit die Damen im
Chor:
»Was ist das Kind für'n Schwein!
Was ist das Kind für'n Schwein!«
Nun stimmte die Rue de la Goutted'Or selber
mit ein. Das Viertel sang »Was ist das Kind
für'n Schwein«. Gegenüber fielen der kleine
Uhrmacher,
die
Gehilfen
des
Kolonialwarenhändlers,
die
Kaldaunenhändlerin und die Obsthändlerin,
die das Lied kannten, in den Kehrreim ein,
wobei sie einander aus Spaß Schellen
verabreichten. Wirklich, die ganze Straße war
zum Schluß besoffen; der bloße Geruch des
Gelages, der bei Coupeaus herausdrang,
brachte die Leute auf den Bürgersteigen zum
Torkeln. Es muß gesagt werden, daß sie um
diese Zeit da drin ganz schön besoffen waren.
Vom ersten Schluck reinen Weins nach der
Suppe an hatte das allmählich zugenommen.
Jetzt war der Höhepunkt erreicht, alle grölten,
alle platzten vor Essen in dem rötlichgelben
Dunst der beiden blakenden Lampen. Der
Krach dieses gewaltigen Juxes übertönte das
Rollen der letzten Wagen. Zwei Polizisten, die
glaubten, es gäbe einen Aufruhr, eilten herbei;
doch als sie Poisson erblickten, grüßten sie
verständnisvoll leise herüber. Und Seite an
Seite entfernten sie sich langsam an den
schwarzen Häusern entlang.
Coupeau war bei folgender Strophe angelangt:
»Sonntags in La P'tit'Villette,
wenn die Hitz vorbei,
besuch'n wir'n Onkel Tinette,
von der Abtrittsräumerei.
Bei dem gibt's Kakelkerne.
Und gehn wir wieder heim,
wälzt's Gör im Dreck sich gerne;
Was ist das Kind für'n Schwein!
Was ist das Kind für'n Schwein!«
Da krachte das Haus, es stieg ein solches
Gebrüll in die laue und ruhige Nachtluft
empor, daß sich diese Schreihälse selber
Beifall klatschten, denn man durfte nicht
hoffen, noch lauter brüllen zu können.
Niemandem von der Gesellschaft gelang es
jemals, sich genau daran zu erinnern, wie das
Geprasse endete. Es mußte sehr spät gewesen
sein, das war alles, denn auf der Straße strich
keine Katze mehr vorbei. Vielleicht war man
trotzdem noch um den Tisch herumgetanzt und
hatte sich dabei an den Händen gehalten. Das
ertrank in einem gelben Nebel mit
umherspringenden roten Gesichtern, deren
Mund von einem Ohr bis zum anderen
aufgerissen war. Sicherlich hatte man sich
gegen Ende Glühwein zu Gemüte geführt;
bloß, man wußte nicht mehr, ob sich nicht
jemand den Schabernack gemacht hatte, Salz
statt Zucker in die Gläser zu tun. Die Kinder
mußten sich wohl allein ausgezogen und ins
Bett gelegt haben. Am nächsten Tag prahlte
Frau Boche damit, ihrem Mann in einer Ecke,
wo er sich allzu nahe mit der Kohlenhändlerin
unterhielt, zwei Backpfeifen verabreicht zu
haben; aber Boche, der sich an nichts
erinnerte, stellte das als Aufschneiderei hin.
Was jeder als wenig anständig bezeichnete,
war das Benehmen von Clémence, einem
Mädchen, das man entschieden nicht einladen
kann; sie hatte zum Schluß alles gezeigt, was
sie besaß, und es war ihr so übel geworden,
daß sie einen der Musselinvorhänge völlig
verdorben hatte. Die Männer gingen
wenigstens auf die Straße hinaus; Lorilleux
und Poisson waren, als ihr Magen
durcheinandergeriet, schleunigst bis zum
Schlächterladen geflitzt. Wenn einer gut
erzogen ist, so ist das immer zu merken. So
waren die Damen, Frau Putois, Frau Lerat und
Virginie, als ihnen die Hitze lästig wurde,
einfach in die hintere Stube gegangen, um ihr
Korsett abzulegen; Virginie hatte sich sogar
auf das Bett langlegen wollen, bloß für einen
Augenblick, um schlimme Folgen zu
vermeiden. Dann schien die
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