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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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dran«, lallte Coupeau mit
    belegter Stimme. »He! Mich hebt man als das
    Beste bis zuletzt auf ... Na gut, ich werde euch
    ›Was ist das Kind für'n Schwein‹ vortragen.«
    »Ja, ja, ›Was ist das Kind für'n Schwein‹!«
    schrie der ganze Tisch.
    Der Spektakel setzte wieder ein, Lantier war
    vergessen. Die Damen rückten ihre Gläser und
    Messer zurecht, um den Kehrreim zu
    begleiten. Man lachte im voraus, während man
    den Bauklempner anschaute, der sich mit
    pöbelhafter Miene bequem auf seine Beine
    zurechtstellte. Er schlug die heisere Stimme
    einer alten Frau an.
    »Kriech ich morgens aus der Falle,
    da kotzt mich's auch schon an;
    ich schick das Gör zur nächsten Halle,
    ein Viertel Schnaps muß ran.
    Dann bleibt's erst mal 'ne Stunde weg,
    und eh's zur Türe rein,
    nippelt's die Hälfte von dem Dreck:
    Was ist das Kind für'n Schwein!«
    Und an ihr Glas klopfend, wiederholten
    inmitten ungeheurer Heiterkeit die Damen im
    Chor:
    »Was ist das Kind für'n Schwein!
    Was ist das Kind für'n Schwein!«
    Nun stimmte die Rue de la Goutted'Or selber
    mit ein. Das Viertel sang »Was ist das Kind
    für'n Schwein«. Gegenüber fielen der kleine
    Uhrmacher,

    die

    Gehilfen

    des
    Kolonialwarenhändlers,

    die
    Kaldaunenhändlerin und die Obsthändlerin,
    die das Lied kannten, in den Kehrreim ein,
    wobei sie einander aus Spaß Schellen
    verabreichten. Wirklich, die ganze Straße war
    zum Schluß besoffen; der bloße Geruch des
    Gelages, der bei Coupeaus herausdrang,
    brachte die Leute auf den Bürgersteigen zum
    Torkeln. Es muß gesagt werden, daß sie um
    diese Zeit da drin ganz schön besoffen waren.
    Vom ersten Schluck reinen Weins nach der
    Suppe an hatte das allmählich zugenommen.
    Jetzt war der Höhepunkt erreicht, alle grölten,
    alle platzten vor Essen in dem rötlichgelben
    Dunst der beiden blakenden Lampen. Der
    Krach dieses gewaltigen Juxes übertönte das
    Rollen der letzten Wagen. Zwei Polizisten, die
    glaubten, es gäbe einen Aufruhr, eilten herbei;
    doch als sie Poisson erblickten, grüßten sie
    verständnisvoll leise herüber. Und Seite an
    Seite entfernten sie sich langsam an den
    schwarzen Häusern entlang.
    Coupeau war bei folgender Strophe angelangt:
    »Sonntags in La P'tit'Villette,
    wenn die Hitz vorbei,
    besuch'n wir'n Onkel Tinette,
    von der Abtrittsräumerei.
    Bei dem gibt's Kakelkerne.
    Und gehn wir wieder heim,
    wälzt's Gör im Dreck sich gerne;
    Was ist das Kind für'n Schwein!
    Was ist das Kind für'n Schwein!«
    Da krachte das Haus, es stieg ein solches
    Gebrüll in die laue und ruhige Nachtluft
    empor, daß sich diese Schreihälse selber
    Beifall klatschten, denn man durfte nicht
    hoffen, noch lauter brüllen zu können.
    Niemandem von der Gesellschaft gelang es
    jemals, sich genau daran zu erinnern, wie das
    Geprasse endete. Es mußte sehr spät gewesen
    sein, das war alles, denn auf der Straße strich
    keine Katze mehr vorbei. Vielleicht war man
    trotzdem noch um den Tisch herumgetanzt und
    hatte sich dabei an den Händen gehalten. Das
    ertrank in einem gelben Nebel mit
    umherspringenden roten Gesichtern, deren
    Mund von einem Ohr bis zum anderen
    aufgerissen war. Sicherlich hatte man sich
    gegen Ende Glühwein zu Gemüte geführt;
    bloß, man wußte nicht mehr, ob sich nicht
    jemand den Schabernack gemacht hatte, Salz
    statt Zucker in die Gläser zu tun. Die Kinder
    mußten sich wohl allein ausgezogen und ins
    Bett gelegt haben. Am nächsten Tag prahlte
    Frau Boche damit, ihrem Mann in einer Ecke,
    wo er sich allzu nahe mit der Kohlenhändlerin
    unterhielt, zwei Backpfeifen verabreicht zu
    haben; aber Boche, der sich an nichts
    erinnerte, stellte das als Aufschneiderei hin.
    Was jeder als wenig anständig bezeichnete,
    war das Benehmen von Clémence, einem
    Mädchen, das man entschieden nicht einladen
    kann; sie hatte zum Schluß alles gezeigt, was
    sie besaß, und es war ihr so übel geworden,
    daß sie einen der Musselinvorhänge völlig
    verdorben hatte. Die Männer gingen
    wenigstens auf die Straße hinaus; Lorilleux
    und Poisson waren, als ihr Magen
    durcheinandergeriet, schleunigst bis zum
    Schlächterladen geflitzt. Wenn einer gut
    erzogen ist, so ist das immer zu merken. So
    waren die Damen, Frau Putois, Frau Lerat und
    Virginie, als ihnen die Hitze lästig wurde,
    einfach in die hintere Stube gegangen, um ihr
    Korsett abzulegen; Virginie hatte sich sogar
    auf das Bett langlegen wollen, bloß für einen
    Augenblick, um schlimme Folgen zu
    vermeiden. Dann schien die

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